„Volljuden sind empfindlich“

■ Vorwürfe gegen die Leiterin der Städtepartnerschaften / Deckt der Bürgermeister Diskriminierung von Minderheiten? Von Silke Mertins

Nach den Vorwürfen dreier AmerikanerInnen aus Chicago zu urteilen, ist das Hamburger Referat für Städtepartnerschaften alles andere als eine Oase der Völkerverständigung. Joshua Levin, Nina McCune und Emily Powell, die für ein Jahr in Hamburg in sozialen Einrichtungen arbeiten, wollten der Referatsleiterin für Städtepartnerschaften, Christl Howaldt, zwei Projekte vorstellen. Doch auf die Bitte um finanzielle Unterstützung für eine Studie darüber, wie an Hamburger und Chicagoer Schulen über den Holocaust unterrichtet wird, hätte Christl Howaldt mit der Frage reagiert: „Wieso fragen Sie nicht die jüdische Gemeinde? Die sind doch reich genug.“

Außerdem „äußerte Frau Howaldt die Meinung, daß Ausländer sich nur für ihre Rechte, nicht für ihre Pflichten interessieren würden“, beschwerten sich die drei AmerikanerInnen in einem Brief an Bürgermeister Henning Voscherau. Emily Powell, die in einem Projekt türkischer RentnerInnen der Arbeiterwohlfahrt arbeitet, hatte ein Konzept für einen Austausch pensionierter MigrantInnen aus Hamburg mit älteren ethnischen Minderheiten in Chicago vorgestellt. Frau Howaldt habe gesagt, „daß die Türken ihre Kinder in Koranschulen schicken, um sich nicht an die deutsche Gesellschaft anzupassen“, so der Brief weiter. Dort würden sie lernen, daß Frauen drei Schritte hinter ihren Männern zu gehen hätten.

„Der Inhalt ihres Briefes ist in der Senatskanzlei auf Unverständnis gestoßen“, schrieb Hinnerk Behmler im Auftrag des Bürgermeisters den drei AmerikanerInnen zurück. „Frau Howaldt hat uns versichert, daß die zitierten Äußerungen nicht gefallen sind.“

Auch gegenüber der taz bestritt Christl Howaldt die Vorwürfe energisch. Man habe sie „absichtlich mißverstanden“, die Vorwürfe seien ebenso „ehrverletzend“ wie „abstrus“ und „idiotisch“. Keiner kümmere sich „so um Ausländer wie ich“. Diese drei jungen Leute hätten nur „ihre Vorurteile gegen Deutsche bestätigen“ wollen. Bei älteren Menschen könne sie das verstehen, bei jüngeren sei sie doch sehr überrascht. Aber: „Volljuden sind sowieso sehr empfindlich.“ Sie sei nicht ausländerfeindlich und schon gar nicht antijüdisch. „Das würde überhaupt nicht zur mir passen.“ Sie habe „völlig wertfrei“ geredet, und die drei hätten ihr die Worte „im Mund herumgedreht“.

Ihr einziger Fehler sei gewesen, daß sie deutsch und nicht englisch mit den dreien geredet hätte, will Howaldt die Vorwürfe auf sprachliche Mißverständnisse reduzieren. Doch das hält die in den USA als Deutschlehrerin tätige Nina McCune für eine Schutzbehauptung.

Frau Howaldt zweifelte außerdem gegenüber der taz an, daß eine Vermieterin Josh Levin abgelehnt habe, weil er Jude ist. Das käme ihr in der heutigen Zeit unwahrscheinlich vor, sprach sie dem jungen Amerikaner, der bei der Jüdischen Organisation Norddeutscher Studenten (JONS) arbeitet, seine bitteren Erfahrungen ab. Außerdem sei „der Antisemitismus in den USA schlimmer als irgendwo sonst“. Dort habe sie längere Zeit als Gast verbracht und sich „auch so benommen“.