Das Portrait
: Die Unverwüstliche

■ Amalie Pinkus-De Sassi

Amalie Foto: taz-Archiv

1968 war für sie ein zweiter politischer Frühling. Jahrzehntelang war Amalie Pinkus-De Sassi nur als Frau ihres Mannes, des bekannten Zürcher Buchhändlers Theo Pinkus, wahrgenommen worden. Mit der Studentenbewegung entstand in Zürich die „Frauenbefreiungsbewegung“ (FBB). Die damals 58jährige Kommunistin fand zwar deren chaotische Versammlungen ganz schrecklich, fand sich aber schon bald im Vorstand der Bewegung wieder. Der Feminismus ließ sie zeitlebens nicht mehr los.

Amalie De Sassi wurde 1910 als Tochter eines Tessiner Ehepaares in Zürich geboren. Die Mutter war Näherin, der Vater besaß einen Tante-Emma-Laden, Schmalhans war der Küchenmeister. Wie viele junge Menschen aus dem Milieu der Zürcher Unterschicht fühlt sich die Tessinerin von der kommunistischen Bewegung angezogen. Die erste Kundgebung, die sie besucht, ist eine LLL-Feier – Lenin, Liebknecht, Luxemburg. Anfang der 30er Jahre tritt Amalie De Sassi der Kommunistischen Partei bei. Über die Partei lernt sie 1933 auch Theo Pinkus, einen jungen Kommunisten aus jüdischem Haus, kennen, der nach dem Berliner Reichstagsbrand aus der deutschen Hauptstadt in seine Schweizer Heimat geflohen ist. Die beiden bleiben bis zu Theos Tod im Jahr 1991 zusammen.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird die Kommunistische Partei verboten. Das hindert das Ehepaar nicht, die politische Arbeit fortzusetzen. Doch noch in der Illegalität wird Theo wegen Reformismus und Sozialdemokratismus aus der Partei ausgeschlossen – und Amalie, weil Theos Frau, gleich mit. Die beiden treten der Sozialdemokratischen Partei bei. Doch der ist Theo, der Büchernarr, der massenweise politische Literatur aus den Ländern des Ostblocks einschleppt, zu links. Er fliegt aus der Partei, Amalie immerhin darf bleiben. Aber sie gilt weiterhin als Kommunistin und ist es wohl auch. „Als Stalin starb“, bekannte sie viel später, „tat mir das ebenfalls leid, viele in unserer Umgebung waren sehr betroffen, die Leiterin der Pioniergruppe weinte.“ Für solche Leute wurde es 1956, nach dem antikommunistischen Aufstand in Ungarn, ungemütlich. So brachte Amalie ihre beiden Kinder zur Sicherheit in den Tessin, verbarrikadierte die Haustür und wartete bessere Zeiten ab. Die kamen, wie gesagt, 1968. Am Freitag ist die unverwüstliche Basisaktivistin, die sich dem Kampf gegen Rassismus und Chauvinismus verschrieb, in Zürich gestorben. Thomas Schmid