Panzer vor Dhakas Wahllokalen

■ Die Opposition ruft zum Widerstand gegen die Wahlen in Bangladesch auf. Das Abstimmungsergebnis steht bereits fest

Delhi (taz) – Auf dem Papier sieht es gut aus mit der Demokratie in Bangladesch. Zum ersten Mal in der 25jährigen Geschichte des Landes konnte ein Parlament seine Legislaturzeit beenden. Die vier Vorgängerversammlungen endeten im Chaos, als Folge von politischen Morden, oder mit dem Eingriff der Armee. Erst 1991 gelang es den demokratischen Parteien, der Militärherrschaft ein Ende zu bereiten und erstmals nach zwanzig Jahren wieder eine freie Wahl durchzuführen. Auch der Urnengang, zu dem die 56 Millionen WählerInnen am Donnerstag aufgerufen sind, könnte einen demokratischen Eindruck erwecken: 1.500 KandidatInnen aus 42 Parteien haben sich für die 300 Direktmandate (30 sind zusätzlich für Frauen reserviert) registrieren lassen. Doch die Information des Wahlkommissars, daß 43 Kandidaten bereits als gewählt gelten, klingt ominös; denn es handelt sich um Wahlkreise, in denen es keinen einzigen Gegenkandidaten gab.

Dahinter verbirgt sich der Umstand, daß die drei wichtigsten Oppositionsparteien, die im alten Parlament 145 Sitze auf sich vereinigten, die Wahl boykottieren. Zwei Jahre waren sie den Parlamentssitzungen ferngeblieben und hatten ihre Politik auf die Straße verlegt. Jede Partei hatte dabei ihre eigene Agenda: bei der Awami Liga war es in erster Linie persönliche Rivalität ihrer Präsidentin, Sheikh Hasina, mit Premierministerin Begum Khaleda Zia; die Jatiya-Partei des inhaftierten früheren Präsidentengenerals Ershad versuchte, die WählerInnen die wenig erbauende Vorgeschichte ihrer Partei vergessen zu lassen; und auch der Jamat Islami ging es darum, vom Vorwurf abzulenken, im Unabhängigkeitskrieg auf der Seite der pakistanischen Unterdrücker agiert zu haben. Die drei ideologisch weit auseinanderliegenden Parteien konnten sich auf ein gemeinsames Minimalprogramm einigen: der Rücktritt der Regierung, die Einsetzung einer neutralen Übergangsadministration und Neuwahlen.

Die Regierung von Frau Khaleda zeigte sich, auch unter dem Druck der westlichen Geberländer, allmählich zu immer größeren Konzessionen bereit. Sie gipfelten im letzten Dezember im Vorschlag, die Amtsgeschäfte dreißig Tage vor der Wahl einer paritätisch zusammengesetzten Übergangsadministration unter dem Vorsitz des Staatspräsidenten zu übergeben. Damit sollte dem Verdacht entgegengetreten werden, daß die Regierungspartei den Wahlausgang beeinflussen könnte. Nur in einem Punkt blieb Khaleda Zia starr: Sie weigerte sich, eine überparteiliche Regierung unter neutralem Vorsitz einzusetzen, da dies eine schwere Verfassungsverletzung darstelle.

Die zweijährige politische Krise, mit ihren enormen Schäden für die Industrie und das Gewerbe, sowie der Beschluß eines Wahlboykotts, stellen jedoch eine weitaus größere Gefährdung der Demokratie dar. Die Boykotteure haben eine aktive Störung des Wahlkampfs und der Abstimmung selbst beschlossen. In den letzten Wochen ist es im ganzen Land zu Zusammenstößen mit der Polizei gekommen, bei denen zahlreiche Menschen verletzt und mehrere erschossen wurden. Gestern setzten sich mehrere tausend Demonstranten auf die Bahngleise, die von der Hauptstadt Dhaka in den Nordosten des Landes führen und legten den Bahnverkehr lahm. Auf Fernstraßen kam es zu ähnlichen Aktionen. Für den Wahltag selber haben die Parteien einen Aufruf zu einem 48stündigen Generalstreik gegeben, verbunden mit der Aufforderung an das Volk, zu Hause zu bleiben.

Premierministerin Khaleda Zia zeigt sich unbeeindruckt und verfolgt unter großen Sicherheitsvorkehrungen ihr Wahlkampfprogramm. In ihren Reden schwört sie, alles zu unternehmen, damit die Wahl über die Bühne geht, einschließlich des Einsatzes von Truppen. Ein massiver Sieg ist ihr, nachdem sich weitere Linksparteien dem Boykottaufruf angeschlossen haben, gewiß. Aber Meinungsumfragen haben ermittelt, daß zwei Drittel der WählerInnen aus Furcht oder Überzeugung den Urnen fernbleiben wollen. Fünf Jahre nach der Vertreibung der Militärs zurück in die Kasernen beginnt die bange Öffentlichkeit wieder darüber zu diskutieren, ob die Demokratie ihr Gastspiel bereits beendet hat. Bernard Imhasly