Das Rosa-Bild vom Praunheim-Ich

■ Die Filmbiographie des immer noch unorthodoxen Filmemachers läuft in Hamburg an

Vor Unzeiten, als in den 70er Jahren die neue deutsche Schwulenbewegung entstand, lieferte Rosa von Praunheim ihr die ersten Bilder: schrill, schräg, demagogisch und hemmungslos waren sie, und nicht immer nach dem Geschmack der eher strikten politischen Gruppen. Rosa war das enfant terrible vor allem in den Augen derer, die sich schwule Emanzipation ernsthaft und aufrichtig gewünscht hatten. Für alle anderen, die breitere Öffentlichkeit, die Presse von links bis rechts, wurde er trotzdem zum Vorzeigeschwulen. Und es machte ihm nichts: er ist ein Rampentier, eine Bühnensau, hemmungslos mit sich und anderen auch vor laufenden Kameras, ein Ikonoklast an sich selbst wie an den Themenfronten. Die Aufmerksamkeit störte ihn nicht, er suchte sie und wußte sie immer wieder anzufachen. So geschickt ging er dabei vor, daß sein eigentliches Schaffen manchmal fast dahinter veschwand. Auch wenn der selbsternannte Importeur der amerikanischen Gepflogenheit des „Outings“ vielen eher von seinen Auftritten vor Fernsehkameras ein Dorn im Auge ist: Von dem noch eher dokumentarisch-sachlichen Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, über die genial-gestörte Bettwurst bis zu späteren Höhepunkten wie „Ich bin meine eigene Frau“ war Praunheim vor allem einer der wichtigen Filmer am Rand jenes Bereichs, in dem der deutsche Film Industrie wird.

Zu seinem fünfzigsten Geburtstag hat sich der in Berlin und New York lebende Frankfurter wieder einen jener Coups gegönnt, die seinen Gegnern Wasser auf die Mühlen sind: er hat sich zum Vorwand genommen und sich in einer respektlosen Filmbiographie selbst um die Ecke gebracht. Neurosia, seine autobiographische Selbst-Feier beginnt nämlich mit einem Mord. Wieder einmal zeigt ein kleines Kino seine Filme, wieder einmal buht das Publikum ihn aus, doch dann wird alles anders – Rosa wird auf offener Bühne ermordet. Journalistisch auf den Fall angesetzt wird die Klatschreporterin Gesine Ganzmann-Seipel (Désirée Nick), die das Leben des Filmers fürs Fernsehen aufbereiten soll. Der Kunstgriff ist gelungen: sie ist es, die das überall verstreute Material eines an Skandälchen und Schöpfung reichen Lebens sichtet. Sie versucht, eine präsentierbare Ordnung in das Chaos zu bringen, stößt auf alle Stars und Sternchen des Filmers und wird im Lauf der Arbeit selbst verwandelt.

Rosa von Praunheim ist seinem künstlerischen Credo treu geblieben: Immer noch ist ein raffiniert aufrechterhaltener filmischer Dilletantismus sein Markenzeichen. Meist, aber nicht immer, gelingt ihm dabei die Gratwanderung zwischen Selbstbeweihräucherung und Selbstironie. Doch Sehenswert ist Neurosia schon wegen der Menge an Bewegungs-Vergangenheit, die hier mittransportiert wird - und wegen der Damen natürlich, Größen wie Tante Luzie, Evelyn Künneke, Lotti Huber, Charlotte von Mahlsdorf oder der Nachtigal von Ramersdorf. Und der hervorragenden Désirée Nick, die auch die Skeptiker amüsiert.

Thomas Plaichinger

Im kleinen Abaton, 19.30 Uhr, sonntags 20 Uhr