Geheimwaffe Investitionsbudget

■ Voscherau will Behörden an der Investitionsfinanzierung beteiligen Von Florian Marten

Die Idee ist ebenso schlicht wie bestechend: „Warum“, so fragte sich Stadtchef Henning Voscherau kürzlich in kleinem Kreise, „sollen die Behörden im Rahmen der Budgetierung nicht auch einen Beitrag zur Investitionsfinanzierung leisten?“ Nach Voscheraus Vorstellungen sollten Investitionen, also alle größeren Anschaffungen der Stadt vom PC bis zur Kaimauer, in Zukunft nicht mehr ausschließlich auf Pump getätigt werden. „Vielleicht schon ab 1998 könnten die Behörden ihre Investitionen anteilig aus dem Betriebshaushalt mitfinanzieren. Vorstellbar wäre eine schrittweise Steigerung von zunächst zehn auf später einmal 30 bis 50 Prozent.“

Eine Idee mit erheblicher Sprengkraft: Denn heute werden die gesamten städtischen Investitionen von 2,1 Milliarden Mark allein im Jahr 1996 fast ausschließlich per Kredit finanziert. Da diese Kredite nie wirklich zurückgezahlt, sondern durch neue Anschlußkredite „revolviert“ werden, sitzt beim Russischen Roulette der Stadtstaatsfinanzen jede Investitionskugel treffgenau: Investitionen treiben den städtischen Schuldenberg von Jahr zu Jahr weiter in die Höhe: Man stelle sich einen Privathaushalt vor, der alle größeren Anschaffungen mit dem Dispo seiner Hausbank bestreitet und diesen Dispo einfach ständig erhöhen kann. Kein Wunder, daß Hamburg heute bereits ein Siebtel seiner Einnahmen allein für Schuldzinsen aufbringen muß und bald in Höhe von zwei gesamten Jahresbudgets verschuldet sein wird.

Voscherau will nun schrittweise verwirklichen, was Finanzexperten seit langem fordern: Investitionen sollen aus den laufenden Einnahmen bezahlt werden. Da die Behörden seit 1993 für laufende Ausgaben, die sogenannten Betriebsausgaben, bereits „budgetiert“ sind, sprich globale Töpfe zugewiesen bekommen, sind auch die Instrumentarien bereits vorhanden, die Investitionen zu budgetieren. In der Praxis dürfte das Verfahren allerdings auf Probleme stoßen: Jede Behörde wird bemüht sein, ihre Investitionsprojekte als „unabweisbaren Bedarf im gesamtstädtischen Interesse“ definiert zu bekommen und dann zu verlangen, daß diese Investition aus dem Anrechnungsverfahren ausgeklammert wird.

Ein entsprechendes Spielchen läuft derzeit bereits im Bereich der budgetierten Betriebsausgaben: Jede Behörde bemüht sich, einen möglichst großen Anteil „gesetzlicher Verpflichtungen“ nachzuweisen – die Sozialbehörde beispielsweise die Sozialhilfe –, um dann bei globalen Kürzungsansätzen das Sparmesser nur bei einem möglichst kleinen Teil des eigenen Behördenetats wetzen zu müssen.

Trotz aller Schwierigkeiten in der Praxis könnte die Investitionsbudgetierung auf mittlere Sicht eines der wirksamsten Mittel zur Eindämmung der Staatsschulden darstellen. Fachleute setzen insbesondere auch darauf, daß öffentliche Investitionen dann endlich preisgünstiger würden. Wie der Bundesrechnungshof bereits mehrfach monierte, sind öffentliche Investitionen in Deutschland fast immer überteuert, weil Auftraggeber und Auftragnehmer keinerlei Sparinteresse haben: Gebaut wird fast immer zu aufwendig. Harte Kontrollen finden ebensowenig statt wie knallharte Preisverhandlungen mit den Auftragnehmern. Kein Wunder, daß Korruption bei öffentlichen Aufträgen inzwischen zum deutschen Alltag gehört. Müssen Behörden aber künftig die Investitionen aus ihren eigenen Etats mitfinanzieren, wird immerhin endlich ein Mindestinteresse für Effizienz und Sparsamkeit geweckt.

Bis in Hamburgs Finanzbehörde sind Voscheraus wegweisende Ideen freilich noch nicht vorgedrungen, wie eine Sprecherin betont: „Die Budgetierung von Investitionen ist in unserem Hause noch kein offizielles Thema.“