Kurze Schlangen, glühende Leitungen

■ Ansturm bei BfA wegen neuer Vorruhestandsregelung

„Ich bin 57, bin arbeitslos, genieße ich noch Vertrauensschutz?“ Oder: „Ich bin 56, muß ich jetzt schon einen Rentenantrag stellen?“ Oder: „Ich bin 59 und in einen Sozialplan integriert. Gilt für mich noch die alte Regelung?“ Manchmal ruft auch ein Personal- oder Betriebratsmitglied an und will Klarheit für seine Kollegen: „Sagen Sie mir mal, müssen die jetzt alle schon bei Ihnen eine Rente beantragen?“

Seit vorgestern am späten Vormittag glühen in der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) am Fehrbelliner Platz die Telefonleitungen. 23 Millionen Versicherte betreut die Anstalt. Die Menschen rufen an, weil sich in Bonn Arbeitgeber, Gewerkschaften und Bundesregierung auf „Eckpunkte für ein Gesetz für Altersteilzeit und gegen Frühverrentung“ geeinigt haben.

Die Leute seien falsch informiert oder fühlten sich falsch informiert, sagt dagegen die BfA und fühlt sich eigentlich nicht zuständig. Die meisten Anrufer, sagt BfA-Sprecherin Renate Thiemann, hätten Angst um ihre Rente. Dabei geht es gar nicht um die Rente, für deren Berechnung und Auszahlung die BfA zuständig ist. Es geht um die Frühverrentung, für die ab 1997 die Altersgrenze von 60 auf 63 Jahre angehoben wird. Zweitens geht es um Teilzeitarbeit ab dem 55. Lebensjahr.

Für diese beiden Bereiche gilt ein sogenannter Vertrauensschutz: Wer bis einschließlich vorgestern mindestens 55 Jahre alt und arbeitslos war oder einen Auflösungsvertrag mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen hatte, den tangiert die neue Regelung nicht. Gesonderte Anträge müßten nicht gestellt werden, hätten freilich jene 56jährigen stellen sollen, die erst in einem Monat arbeitslos werden: Sie gehen mit den deutlich schlechteren Konditionen in Frührente.

Eigentlich wäre die Aufklärung eine Angelegenheit für die Arbeitsämter, meint BfA-Sprecher Thiemann, aber die Arbeitsämter selbst verwiesen Anrufer an die BfA. Jedenfalls habe man dort bestimmt sechsmal so viele Anrufer wie üblicherweise, sagen Thiemann und die Leiter der für Berlin zuständigen Beratungsstellen. Beim Servicetelefon, das von montags bis mittwochs zwischen 15.30 und 19.30 Uhr besetzt ist (0180) 2331919), werden „mindestens dreißig Prozent mehr“ Gespräche geführt.

Mit dem um knapp das Doppelte angeschwollenen Publikumsverkehr kommt man dagegen problemlos zurecht. Statt 15 hätten gestern morgen um acht Uhr 30 Menschen im Wartesaal gesessen, sagt der Leiter der Beratungsstelle in Wilmerdorf, Andre Ebers. Christoph Oellers