„Denen gehört eins zwischen die Hörner!“

■ SZ-Redakteur Georg Hohmann über die dubiosen Methoden von „Spiegel TV“

taz: Herr Hohmann, dank „Spiegel TV“ wissen nun Millionen Menschen im Land, was Sie für einer sind: ein Sextourist.

Georg Hohmann: Mit diesem fürchterlichen Bild muß ich wohl noch ein Weilchen leben. Für mich bin ich aber im reinen. Als ich diese Sendung gesehen habe, war ich von den Socken. Ein Gefühl, als ob eine Dampfwalze über Sie hinwegrollt. Bekannte haben mich angerufen, gelacht und gesagt: „Die haben dich ganz schön über den Tisch gezogen!“ Und dann saudumme Kommentare, anonyme Anrufer. Bei meiner Freundin ist nun ein Mißtrauen und ...

...das wohl zu Recht: In der Reportage sind Sie einer von den vielen, die von den Kubanerinnen nur das eine wollen.

Warum fragt sich eigentlich niemand, weshalb ich mich dem Film zur Verfügung gestellt habe? Glauben die Leute allen Ernstes, ich mime im Namen der Süddeutschen Zeitung den Sextouristen?

Vielleicht wollten Sie im Fernsehen groß rauskommen, vielleicht sind Sie ein naiver Trottel.

Ich bin vielleicht etwas gutmütig, aber kein Trottel. Nein, die „Spiegel TV“-Leute wollten auf Kuba einen Film drehen, angeblich mit dem Arbeitstitel „Kuba – Kontinuität und Wandel“.

Im Fernsehen hieß er einfach so: „Händler, Huren, Guerilleros“.

Ja, aber auf Kuba hat sich das anders angehört. Sie wollten eine Reportage über die gesellschaftlichen Veränderungen machen. Und im Zentrum ihres Films, hieß es, stünde Anita Corrales ...

...mit der Sie, wie „Spiegel TV“ unterstellt, eine intime Beziehung hatten.

Unsinn. Ich war einverstanden, ein bißchen bei der Reportage mitzumachen. Die Spiegel-Leute klagten, sie seien zeitlich sehr eingespannt. Ich wollte nicht unkollegial sein und ...

...plötzlich waren Sie in einem Streifen, in dem hauptsächlich Hintern und Brüste wackeln.

Daß es um eine platte Sexgeschichte geht, habe ich überhaupt nicht bemerkt. Wir gingen zusammen in ein Lokal und eine Disco. Die Spiegel-TV-Leute sagten, sie wollten Tanzszenen einfangen ...

Und dort, O-Ton „Spiegel TV“, kamen Anita und Sie „sich näher“.

Das ist ja das Brutale. Ich habe einfach nicht mit dieser Art von Journalismus gerechnet. Mit dieser Hinterhältigkeit. Die „Spiegel TV“-Leute waren nett, sie waren professionell. Diesen Leuten geht es aber nicht um Wahrheiten, sie interessiert nur, ob ihre Geschichte hält. Wenn sich niemand beklagt, dann ist es okay. Sie denken, ihnen kann keiner.

„Spiegel TV“ hat Sie ja noch in Schutz genommen. Gegenüber der taz hat der Geschäftsführer, Werner E. Klatten, erklärt, man habe das, was tatsächlich zwischen Anita und Ihnen passiert sei, „harmlos formuliert“.

Das ist das Ungeheuerlichste, was ich je gehört habe. Die gehen wirklich mit brutalen Bandagen vor. Das sind echt linke Typen. Ich fühle mich nicht verarscht. Es ist schlimmer: Ich fühle mich in übelster Form geschändet.

Moment mal, „Spiegel TV“ liegen drei eidesstattliche Erklärungen vor, daß es zwischen Ihnen und Anita Corrales zu Intimitäten kam. Verlagschef Klatten sagt, in späterer Nacht habe es dann doch noch „geklappt“.

Das ist schlichtweg unwahr. Wie können die so etwas machen? Saß da einer etwa auf der Bettkante? Aber das ist ja auch das Raffinierte an diesem Film: Die Bilder stimmen, die Texte stimmen auch – zum Teil wenigstens. Aber so, wie sie die einzelnen Puzzleteile miteinander vermengt haben, stimmt die ganze Geschichte nicht mehr. Das ist keine plumpe Fälschung à la Michael Born. Das ist eine Fälschung à la „Spiegel TV“ – raffiniert, intellektuell. Chapeau!

Sie wissen, daß diese Geschichte für die „Süddeutsche Zeitung“, die sich für Sie vehement eingesetzt hat, übel ausgehen kann: Entweder verliert die „SZ“ oder das Haus „Spiegel“ an Reputation.

Ich habe ein reines Gewissen. Das haben diese Herrschaften in Hamburg nicht. Der „Spiegel TV“-Redakteur Adrian Geiges hat Mordsaktivitäten entfaltet, überall rumtelefoniert. Der fürchtet um seinen Kopf. Der bearbeitet nun die Leute. Der Münchner Kameramann, der in Kuba mit dabei war, hat direkt nach der Sendung zu mir gesagt: „Mein Gott, was haben die für einen Film gemacht, das ist ja eine ganz andere Geschichte!“ Plötzlich redet der ganz anders daher. Warum?

Bis vor kurzem war Ihr Chefredakteur Hans-Werner Kilz Chef beim „Spiegel“. So prominent wie die „SZ“ Ihre Geschichte aufgemacht hat – das riecht nach Revanchefoul.

Das ist absurd. „Spiegel TV“ hat diese unsäglichen Anzüglichkeiten begonnen. Es hat eine Geschichte vorsätzlich mit Sex aufgepeppt. Dabei haben sie meinen Ruf in den Dreck gezogen. Ein rücksichtsloser Journalismus. Das darf man nicht durchgehen lassen. Ich gehe zivil- und strafrechtlich gegen die vor. Denen gehört eins zwischen die Hörner! Interview: Arno Luik