„These people are Germans!“

■ Der Bariton-Saxophonist Howard Johnson über Bärte und Deutsche

In den frühen 60ern kam Howard Johnson, Jahrgang 1941, nach New York und spielte dort von der Avantgarde bis Rock so ziemlich alles, bei dem ein Saxophon gefragt war. Marvin Gaye und The Band eint mit Archie Shepp und Gil Evans, daß sie ihn immer wieder verpflichteten. In der NDR Big Band war er von 1990 an als Baritonsaxophonist tätig. Mit Arrival seiner ersten Veröffentlichung unter eigenem Namen, kehrt er jetzt wieder nach New York zurück. Das Album seiner Hamburger Band Nubia ist eine Hommage an Paraoh Sanders, einen Freund aus frühen Avantgarde-Tagen.

taz: Pharaoh Sanders hat den schönsten Bart im Jazz.

Howard Johnson: Pharaoh hat es geschafft, das Spirituelle mit der Alltagserfahrung zu verbinden. Ich wollte nicht in Pharaohs Tasche greifen, aber wenn man seine Musik spielt, spürt man regelrecht, daß da noch etwas außerhalb der musikalischen Erfahrung ist. Ich habe Pharaoh einen Konzert-Mitschnitt vorgespielt, und er war begeistert. Am meisten erstaunte ihn, daß die Musiker in der Band Deutsche sind. Das wollte er zunächst nicht glauben, und er fragte immer wieder nach: „These people are Germans?“

Was heißt black music für Sie heute?

Die Avantgarde-Musik der 60er Jahre war schwarz und weiß. Leute, die sie für politische Zwecke nutzen wollten, vermieden es tunlichst, von Jazz zu reden. Mama Too Tight, eine Platte, die ich Mitte der 60er mit Archie Shepp aufnahm, zählt für mich noch heute zu dem fortgeschrittensten, was Avantgarde sein konnte. Archie und Roswell Rudd waren damals politisch sehr engagiert, sie wollten schwarze Politik zum Thema ihrer Musik machen. Archies Band bezog Position im afroamerikanischen Befreiungskampf, und an diesem Kampf nahmen eben auch Weiße wie Rudd und Haden teil.

Ist die Entpolitisierung des Jazz eine Sache des Alterns?

Ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Denn Sie haben nach Archie Shepp gefragt. Archie und ich hatten mal einen Gig in einem Chicagoer Blues-Club. Die haßten uns, als wir zu spielen begannen. „Wir verstehen, daß ihr zornig seid, aber das ist doch nicht unsere Schuld“, sagten sie, „wir sind auch zornig“. Und wir antworteten: „Ihr seid auch zornig, und wir haben die Möglichkeit gefunden, das auszudrücken. Hört einfach zu!“ Und nach fünf Tagen hatten sie begriffen, daß in unserer Musik tatsächlich etwas war.

Ende der 70er Jahre tourten Archie und ich dann durch Japan. Wir spielten jetzt ganz straight ahead. Aber Archie war genauso aggressiv wie früher, vielleicht hatte er einfach nur mehr Erfahrungen und Material gesammelt, um das auszudrücken.

Warum ziehen Sie nach New York zurück? Was haben Sie hier vermißt?

Es ist nicht so sehr die Frage, was ich hier vermisse, sondern was ich bekam. Das Gefühl, hier nicht erwünscht zu sein, das die every day Germans einem Farbigen auf Schritt und Tritt vermitteln. Sie wissen doch besser als ich, wie diese Dinge laufen. „Ich bin kein Rassist“, sagen die Leute. Und dann kommt das kleine „aber“ nach dem Komma, und der ganze Scheiß nimmt seinen Lauf.

Christian Broecking

Sonntag, 12. Februar, Fabrik, 21 Uhr