Manieristische Kunstkammerstücke

■ Eindrücke der diesjährigen Bewerbungsausstellung um das Hamburg-Stipendium

Viel Foto, Simulation und Didaktik, kaum Malerei und immer mehr Computer und Maschinen: so läßt sich der Eindruck zusammengefassen, den die Ausstellung der Bewerber um das Hamburg-Stipendium am Wochenende machte. Aus zahlreichen Bewerbungsmappen wurden 30 Künstler ausgewählt, die mit einem kleinen Einblick in ihr Werk um die zehn einjährigen Stipendien der Kulturbehörde konkurrieren dürfen.

Neues, nicht gar so Neues, unbekannte Namen, hoffnungsfrohe Ansätze quer durcheinander. Unangenehm woofende Subschwingungen schwappen durch Eingang und Halle: Jan Peter Sonntag hat ein wanderndes Feld aus stehenden Druckwellen installiert und einen Leuchtturm ins Zentrum der Halle gestellt. Mit komplizierter techno-physikalischer Apperatur arbeitet auch Heinrich Eders Modell zur Sichtbarmachung akustischer Wellen. Genau gegenüber vergammeln Kisten voller Blumenkohl, Ergebnis einer Simulation eines Gemüse-Einzelhandels von Michael Kress.

Vieles bleibt erst den später für die Jury beigefügten Mappen und Katalogen zu entnehmen, zum Beispiel die übergroßen Kleider und Stofftiere von Jutta Konjer, die hier nur einige obscure Familienbilder zeigt. Leise Arbeiten gehen in diesem verwirrenden Umfeld fast unter – wie die Zeichnungen und die konkrete Poesie von Karin Ehrnrooth oder auch die beiden von Ilka Grünberg auf Leinwand projizierten schemenhaften Fotos zwischen inszenierter Fotografie und autonomem Bild.

In der Serie Blanche, die Rolle der Frau im zwanzigsten Jahrhundert erarbeitet Birgit Dunkel sehr genau die Spezifika von Bildinszenierungen zwischen 1923 und 1991. Daß mit Fotographie aber auch höchst langweilige, endlos öde und seit Jahrzehnten erprobte Bild-Text-Kombinationen und möglich sind, zeigen eine ganze Reihe von KünstlerInnen. Sie nerven genauso wie die Arbeiten der nicht enden wollenden Tendenz, mit großem Aufwand und angeblich ironisch vorsätzlich schlechte Kunst zu produzieren.

Einer landwirtschaftlichen Leistungsschau entlaufen scheint der Deutsche Tellerturm, ein barock ausufernder Tafelaufsatz aus zusammengesteckter Laubsägearbeit samt rotem Samttisch von Wolf von Waldow. Seit Jahren arbeitet der Künstler, der sich auf seiner Karte als „Edelbastler“ bezeichnet, an einer Neuformulierung von Ornamenten irgendwo zwischen manieristischem Kunstkammerstücken und Gemütlichkeitsdesign: vielleicht die originellste hier vertretene Position.

Hajo Schiff