Tagesorakel in der Wanne

■ Die spinnen, die Ü-Ei-SammlerInnen, oder vielleicht doch nicht?

Sie sind drei bis sieben Zentimeter hoch oder breit, aus Plastik und grellbunt: die Überraschungen aus den Schoko-Eiern. Mehrere tausend Hamburger sammeln bereits den Inhalt des hohlen Schokoladen-Konfekts: Figuren, Steckspiele und Puzzles. Heute treffen sie sich gar zur „1. Hamburger Ü-Ei-Börse“, von 10 bis 17 Uhr im Guttemplerhaus (Moorkamp 5, Eimsbüttel). Die Dummen sterben eben nicht aus. Oder sind diese Menschen vielleicht doch nicht verrückt? In der taz entspann sich gestern eine lebhafte Diskussion über Sinn und Unsinn der Ü-Ei-Liebhaberei.

Der Chefpolitschreiber Urs Lurchner denkt wie immer in großen Dimensionen. Überraschungs-Eier seien eine bedeutende kulturelle Errungenschaft: Ist doch das Ei ein Symbol des Lebens. Und steckt nicht das Leben voller Überraschungen? Weniger abwägend, dafür leidenschaftlich erörterten Edith Feile und Inge Schlachter das Thema.

Inge: Überraschungseier, wenn ich das schon höre, wird mir ganz schlecht. Das ist doch der letzte Schrott.

Edith: Ich nenne sie Tagesorakel.

Inge: Tagesorakel??

Edith: Es ist immer eine Frage der Deutung. Was drin ist, gilt für den Tag.

Inge: Was da drin ist, geht in Erfüllung?

Edith: Nehmen wir mal an, du baust dir ein Flugzeug, dann willst du sicher morgen in den Urlaub fahren.

Das Gespräch zieht Kreise, nun hält es selbst Betriebsrätin Rita Rührig nicht mehr. Rita: Ich mag sie auch am liebsten als Orakel-Eier.

Inge: Du bei der Schicksalsfraktion? Hat dein Wunsch, die Zukunft zu deuten, etwas mit deinem Arbeitsplatz zu tun?

Rita: Ja, hier weiß man nie, was der nächste Tag bringt.

Inge: Könnte der Betriebsrat daran was ändern?

Rita: Wir versuchen natürlich unser Bestes, erleben aber dabei immer wieder Überraschungseier.

Inge: Warum wirfst du die Figur nicht nach dem Wahrsagen weg?

Edith: Du kannst dein Schicksal nicht wegwerfen.

Inge: Die Figuren sind doch albern, und die Schokolade schmeckt widerlich. Außerdem reicht sie noch nicht mal zum Dickwerden.

Edith: Die Schokolade eß' ich sowieso nicht. Auf das Innere kommt es an. Ich bin immer ganz begeistert, welch' große Teile in so ein kleines Ei reinpassen. Nehmen wir zum Beispiel das Iglu aus der Serie „Bei den Eskimos“...

Inge: Die Serien! Da kauft man doch bloß mehr Eier, als man essen kann.

Edith: Das Glücksgefühl, wenn man wieder ein Teil aus einer Serie erwischt hat!

Inge: Der Horror sind die gelben Innen-Eier: Wenn ich morgens auf dem Weg ins Bad über so'n Teil stolper – also der Tag ist gelaufen.

Edith: Ich steckt sie zusammen und bau daraus Schwimmbahnen in der Badewanne.

Inge: Ü-Eier bestehen zu 90 Prozent aus Müll!

Edith: Wie wäre es mit einer Jute-Verpackung?

Inge: Wer sammelt bloß solchen Schrott? Edith: Der gleiche zukunftsorientierte Mensch wie der Briefmarkensammler. Die werden immer mehr werden. ..

Iris Schneider