Adolf Hitlers Fronterlebnis

■ Im Institut für Sozialforschung referierte Friedrich Pohlmann

Es war einmal ein Mann, der nichts konnte und nichts besaß. Er wußte nicht recht, wer er war und was er wollte. Sein Leben führte er in verklemmter Zurückgezogenheit. Da begann der größte Krieg, den die Welt bis dahin je erleben mußte. Der Mann meldete sich freiwillig, und nach vier Jahren war alles anders geworden. Er hatte einen fanatischen Haß entwickelt und daraus eine Ideologie gemacht, deren Credo Kampf hieß. Mit ihrer Hilfe wurde der Mann zum gefürchtetsten und bekanntesten Deutschen dieses Jahrhunderts.

Im Rahmen der Vortragsreihe Der totale Krieg und seine Krieger des Hamburger Instituts für Sozialforschung referierte der Freiburger Soziologe Friedrich Pohlmann am Donnerstag abend über das Thema: Der Meldegänger. Fronterlebnis und Kriegsphilosophie Adolf Hitlers. Er stellte dar, wie ein positives Kriegserlebnis und der Schock des deutschen Zusammenbruchs, für den Hitler den „jüdischen Bolschewismus“ verantwortlich machte, die Naziideologie gebaren. Laut Pohlmann entstanden durch den Ersten Weltkrieg die beiden Denkrichtungen, die von da an die Geschichte bestimmten: Kommunismus und Faschismus, die sich aufeinander bezögen und sich gegenseitig total ablehnten. Beide hätten den Anspruch, Vergangenheit und Gegenwart völlig zu erklären und eine detaillierte Voraussage der Zukunft zu machen.

Das eigentliche Thema des Vortrags geriet zugunsten dieses Ideologievergleichs etwas ins Hintertreffen. Pohlmann verglich Klassenkampf und Rassenkampf, Fortschrittsglauben und Glauben an eine mythische Vergangenheit. Hie und da lugte die gute, alte Totalitarismustheorie hervor, besonders als Pohlmann zu der Aussage kam, die positive Bewertung des Krieges hätten beide Ideologien gemein. Mit dem Einwand, erklärtes Ziel des Kommunismus sei es doch aber, eine Weltfriedensgesellschaft zu schaffen, während der Faschismus einen ewigen Krieg wolle, wußte er dann auch nicht viel anzufangen. Trotzdem: In Zeiten fahrlässiger Vergleiche zwischen DDR und Nazistaat setzt sich dieses Thema von selbst wieder auf die Tagesordnung.

Die Vortragsreihe hat „Krieg und Kriegserfahrung in Deutschland 1914–1945“ zum Thema und wird mit einer Ausstellung abgeschlossen werden, die die Verbrechen der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg dokumentiert. Welche Auswirkungen die Ideologie der Vernichtung wirklich hatte, ist immer noch viel zuwenig bekannt. Nach 50 Jahren scheint es jetzt möglich zu sein, Zusammenhänge, Ursachen und Folgen offenzulegen. Es hätte früher geschehen müssen. Tim Fiedler