Bei Hempels auf dem Sofa

■ Von Quietsche-Enten, überbordenden Bücherborden und schwergewichtigen Ammoniten: Plaudereien in hanseatischen Wohnstuben Von Heike Haarhoff

Für Thomas Mirow ist das Private nicht das Politische. Wo er wie, warum und mit wem wohnt, findet der Stadtentwicklungssenator, geht die taz nichts an. Dabei wollten wir doch nur in sein Wohnzimmer. Erfahren, welche Bedeutung es für ihn hat. Ist es ein Ort der Entspannung? Oder hat er, wie Adrienne Goehler, Präsidentin der Hochschule für bildende Künste, die klassische gute Stube längst abgeschafft? Unterschiedliche Wohnbedürfnisse erforderten flexiblere Grundrisse, bemüht Mirow Allgemeinplätze. Mehr Einblick gewähren vier Hamburger Prominente: Willfried Maier, GAL-Fraktionschef, Gernot Krankenhagen, Direktor des Museums der Arbeit sowie die Kabarettisten Lisa Politt und Gunter Schmidt.

Letztere sind bekanntlich Herrchens Frauchen und wohnen mit einem Hund, der immer leckt, acht Perserkatzen (teils Inzest-Züchtungen) und einer Tochter in einem Altbau in Altona. Im Wohnzimmer hängt vor allem ein grandioses Poster mit rotem Telefonhörer, Kuchen und Kaffeetasse. Ein Still- leben, das jede Waldlandschafts-Tapete das Laub verlieren läßt.

taz: Soll das was Bestimmtes symbolisieren?

Lisa Politt: Ich glaub', ein Telefon.

Gunter Schmidt: Das war vor zwölf Jahren eine Dekoration für eine Fernsehsendung beim NDR. Da ging es um Kaffeeklatsch und Telefonieren. Das haben die eben 100 : 1 umgesetzt. Ich hab gesagt, das nehm' ich mit, und die sagten, ja bitte, das wird sonst weggeschmissen.

Ziemlich aufdringlich.

G.S.: Wo sollen wir es denn sonst hinhängen? Ist doch gut so, vorher war die Wand schimmelweiß.

Wo sollen wir denn jetzt das Foto von Euch machen?

L.P.: Ich schlage vor, wir setzen uns hier auf das schwarze Sofa, wo sonst immer nur die Katzen draufpinkeln.

Ja, macht das, so eine klassische Couch fehlt uns noch. Außerdem sieht man da so gut das Bild mit den drei Quietsche-Enten.

L.P.: Das hab' ich selbst gerahmt. Ist unser ständiges Gemahne gegen die Kleinfamilie. Das sind wir: Meine Tochter, ich und Gunther. Die drei „quacks“ hab' ich auch drüber geschrieben.

Habt Ihr überhaupt Zeit, im Wohnzimmer zu sitzen?

G.S.: Wir sind eigentlich mehr in der Küche. Die ist viel intimer, da ist auch ein Fernseher.

L.P.: Und der Weg zum Kühlschrank ist nicht so weit.

G.S.: Im Wohnzimmer sind wir oft, wenn Freunde da sind oder Kollegen. Und eben zum Proben.

L.P.: Das Schlagzeug da spielt meine Tochter. Wir spielen Klavier.

Und die Nachbarn?

L.P.: Nebenan wohnt eine Psychologin. Die macht Urschrei-Therapie. Und sonst sind da ein paar Büros. Die stört das auch nicht. Bevor wir hier eingezogen sind, hatten wir zwei Sozialwohnungen und ständig Besuch von der Polizei. Wenn die kam, mußten wir immer in die andere Wohnung umziehen.

Habt Ihr lange gezögert, uns in Euer Wohnzimmer zu lassen?

G.S.: Wieso?

Viele sagen, das ist meine Privatsphäre, da soll niemand gucken kommen.

L.P.: Da waren schon ganz andere Leute hier.

Bei Willfried Maier hinterließen sie schriftliche Zeugnisse. Die Bücher stapeln sich in eigens angefertigten Fichtenholz-Regalen bis zur Decke. Hamburgs oberster GALier ist promovierter Philosoph. Ungestörtes Lesen ist Wohnqualität. In den wirklich bequemen Ohrensessel mit Fußbank setzt er sich nur des Fotos wegen. „Ich hocke auch abends mit einem Glas Rotwein am Schreibtisch. – Für die Notizen.“ Ein Durchbruch führt zum dezenten Ecksofa. Beethoven-Platten, dort der Eßtisch. Eine einzige Pflanze, wenige Bilder. Übersichtlich und strukturiert. „Ich habe diesen Zwang des ewigen Sammelns abgelegt. Man soll sich nicht durch Gegenstände bedrängen lassen.“

Ereilten Gernot Krankenhagen je solche Gedanken, es ginge ihm schlecht. Worauf sollte er auch verzichten? Der Haifischzahn, der versteinerte Seeigel, der murmelgroße Kugelzahn des verblichenen Meerestiers – überhaupt jedes kuriose Fossil in Regal, Vitrine und Terrasse ist einzigartig. So wie die schwergewichtigen Ammoniten, die er einmal im Jahr Regengüssen zum Trotz aus französischen Steinbrüchen gräbt. Kein Gegenstand ohne Bezug zur Familiengeschichte des Museumsdirektors: Die Fotos aus der Wüste, als sie 1972 mit dem VW-Bus Afghanistan durchquerten. Der Ledersessel, Dokument der Flucht einer Großmutter aus Ostpreußen. Die persische Kanne, um die er zwei Stunden durch die zersplitterte Windschutzscheibe feilschte. „Ich hatte nie was übrig für eine einheitliche Einrichtung. Wir leben mit den Dingen, die zu uns gehören.“ Sobald er das Museum der Arbeit abends verläßt. „Die Steine sind mein Hobby. Meine Arbeit ist das, was ich gesellschaftlich wichtig finde. Man darf die beiden Dinge nie vermischen.“ Schon gar nicht im Wohnzimmer.