Weltkrieg und Ozeanriesen

■ Eine Ausstellung zu Weltgeschichte und Künstlersubjekt: Elmar Hess im Kunstverein

Ozeanschiffe in den Alpen: ein ernsthafter Plan der Organisation Todt, einer Abteilung des Reichsarbeitsdienstes der 30er Jahre, wiedergeboren in der Phantasie eines 29jährigen Hamburger Künstlers. Die Szene ist Teil des Films „Kriegsjahre“ von Elmar Hess, der am Donnerstag Premiere im Kunstverein hatte. Aus Realfilm der 40er Jahre, neugedrehtem Spielfilm und raffinierten Tricks mit einfachen Modellobjekten hat Elmar Hess seinen 35minütigen Kunstfilm kombiniert.

Was im Künstleralltag leicht spleenig beginnt, artet aus in ein Desaster: die Realität entgleitet der männlichen Phantasie, bis der Kaffeetisch zum Weltkriegsszenario wird. Toastbrote werden zu Hochhäusern, Eier und Thermoskannen zu umkämpften Industrieanlagen, die Frau beginnt Hitler zu ähneln und der Künstler versucht, sich in die Rolle Churchills zu retten. Die Filmprojektion wird begleitet durch eine Installation von Requisiten und zu eigenen Modellsichten herausgelösten Objekten. Dabei kreisen seit seiner Kindheit die Traumwelten von Elmar Hess derart um Schiffe, daß er sich selbst mit einem Ozeanriesen identifiziert. Doch die museal versammelten Dinge sprechen erst im Verweis auf die Sinngebung im Film als zentraler Arbeit. Erst in der Kombination mit den Bildern des letzten Krieges stellt sich jenes reflexartige Unwohlsein vor der Kunst von Elmar Hess ein. Von der Geschichte bleiben nur die Bilder. Sie lösen sich, ob wir es wollen oder nicht, aus den konkreten Zusammenhängen. Sie werden Medienmythos, sind kein Leidbeleg mehr. Und so können sie erneut aufgeladen werden durch die Beziehungsgeschichte eines Künstlers. Die eigene Kommunikationsunfähigkeit führt zum Gefühl, das Unverständnis der Angebeteten sei geballte Aggression. Ein nicht unbekanntes Muster. Mit gekonntem Handwerk und abgehobenem Pathos wird nun diese „hermetische Selbstherrlichkeit“ eines Künstlersubjekts absurd überdreht. Der Umgang mit Geschichte ist völlig respektlos, mitunter studentenwitzartig. Bei allem Witz ist aber daran zu erinnern, welch' konservatives Bild da transportiert wird: Mit der Gnade der späten Geburt schrumpft Weltgeschichte zur Illustration individueller Wehwehchen in der neuen Bohème. Der Mann, Erfinder, Künstler, Eskapist, Individualist, liebt das Meer und die Schiffe. Als Opfer unverstandener Forderungen der Frau, ihrer repressiv erlebten Ordnung in faschistisch-kalter Ästhetik, der scheinbaren Aggression bis hin zur diktatorischen Identitätsauslöschung, setzt er seine Männer-Allianzen entgegen. Es ist jenes Szenario, das real hinter den Greueln dieses Jahrhunderts steht, soweit kann man Klaus Theweleit und Alexander Kluge getrost folgen. Jede Generation muß Geschichte neu schreiben, nur so bleibt sie lebendig. Daß das aber in einen postmodernen Selbstbedienungsladen ausartet, haben die Älteren zu verhindern. Hier jedoch gibt selbst die Wiener Ausstellungsmacherin Barbara Steiner im Katalog zu, Elmar Hess „adaptiert Bilder parasitär“ und fährt fort: „... der Künstler stellt die Frage nach der Authentizität von Erfahrung, die wir – im Gegensatz zur Kriegsgeneration – nicht mehr haben können.“ Klingt da der Wunsch nach einer Kriegserfahrung an? „Aber es geht doch gar nicht um Politik!“ erklärt dagegen lammfromm Elmar Hess, der den ganzen Aufwand betrieben hat, um das Interesse des Betrachters zu gewinnen und dem nun die Distanz zu seiner Weltkonstruktion nicht mehr abgenommen wird. Das ist die wirklich provozierende Gratwanderung. Denn ohne die komplexe Verknüpfung sind selbstgebaute Modellschiffe, Blow Ups von Filmbildern und Seefahrtsdevotionalien in der Vitrine eher langweilig. Mag der Film das romantisch-obsessive Künstlerbild karikieren, seine als Kunst inszenierten Objekte funktionieren genau nach dieser Vorstellung: eine lebenslange private Schiffsromantik soll gerade als konsequente Obsession kunstwürdig werden.

Hajo Schiff

Kunstverein in Hamburg, Klosterwall 23, bis 17.März