: „Bauen wir 'nen neuen Airbus“
■ Angst um den Arbeitsplatz, Kopf-, Magen-, Rückenschmerzen. Die Dasa-Airbus-Belegschaft bekämpft das „falsche Management“
„Ein neues Flugzeug brauchen wir“, sagt der Dasa-Ingenieur nach Feierabend in der Straßenbahn. Er möchte auch diesseits des Werkstores lieber anonym bleiben. „Wir nennen den Neuen A 300 XX.“
4,3 Milliarden Rekordverlust im Geschäftsjahr 1995 meldete der Daimler-Benz Luftfahrtkonzern Dasa diese Woche und kündigte weitere Entlassungen an. Das bedeutet für das Bremer Werk: Im letzten Sommer hieß es im Dasa-„Rettungsprogramm“ Dolores , bis 1998 sollen 1.052 MitarbeiterInnen gehen. Der drohende Konkurs des niederländischen Flugzeugbauers Fokker bedroht grob geschätzt weitere 130 Arbeitsplätze in Bremen.
„Wir bleiben jedoch erstmal still.“ Johann Dahnken vom Betriebsrat in Bremen nennt das Strategie. Man wolle sich „möglichst lange, möglichst gut informieren“. Die Verhandlungen über Einzelpunkte im Dolores-Programm sollen hinausgezögert werden. Der Betriebsrat fordert aus der Konzernspitze Konzepte an, sucht nach Gegenargumenten. „Konkreter kann ich im Moment nicht werden“, sagt Johann Dahnken.
Die Stimmung im Betrieb sei schlecht, finden zwei Mitarbeiterinnen auf dem Werksgelände und winken ab. Man bekäme ständig Hiobsbotschaften und diese nur aus den Medien zu hören. „Angst und Unsicherheit macht sich in der Belegschaft breit“, bestätigt auch Rolf Werner Winck, der Betriebsarzt. „Die Leute wissen überhaupt nicht, worauf sie sich einstellen sollen. Sie kommen mit unklaren körperlichen Leiden, mit Kopfschmerzen, Magen- oder Rückenschmerzen, dahinter verbirgt sich ihre Orientierungslosigkeit.“
Die Beschwerden hätten mit Dolores stark zugenommen, sagt der Arzt. Und sie seien von der Fertigungsabteilung auch in die anderen Etagen vorgedrungen, in die Entwicklung, die Konstruktion, bis hin zu leitenden Positionen. „Wir praktizieren hier nun kein kollektives Händchenhalten“, wehrt der Mediziner ab. „Unser Ziel ist das Aushalten. Wir wollen mit den Leuten soviel Stabilität erarbeiten, daß sie mit den hohen Belastungen fertig werden können.“ Stattdessen ziehe man den Beschäftigten die Identifizierung mit dem Betrieb unter den Füßen weg.
„Als ich mich hier beworben habe, dachte ich, hier kann mir nichts passieren“, erinnert sich eine kaufmännische Angestellte. Seit sieben Jahren ist sie bei der Dasa, mit 24 heute eine der Jüngsten. „Die Jungen müssen immer zuerst gehen, das weiß man doch.“ Sie versuche, nicht darüber nachzudenken, aber ein bißchen Angst habe sie schon. Und im Schutz der Anonymität sagt sie noch schnell: „Schuld haben die Manager.“
So sieht das auch der Betriebsrat bei Dasa Bremen: „Wir zweifeln eben nicht nur die Prämissen von Dolores an: den Dollarkurs von 1 Mark 35, die 12 Prozent Rendite, die Einsparungen durch Fremdvergaben ins Ausland. Wir sagen auch unverblümt, daß wir es mit einer strategischen Schwäche im Airbusmanagement zu tun haben.“ Es sei ja nicht so, daß man keine Arbeit habe. Warum bleibe man nicht am Ökoflieger dran? Warum baue man nicht den großen Airbus, analog zur Boeing 747? „Ein neues Flugzeug wäre ein Aufschwung für die Belegschaft.“
Die BremerInnen haben ihre Vision vom Flügelzentrum Europas noch nicht aufgegeben. Doch die Konzernspitze blockt ab. Ein Vertrag zwischen dem Dasa-Gesamtbetriebsrat und der Deutsche Airbus-Geschäftsleitung über soften Personalabbau, das heißt Kündigungsschutz liege seit Dezember unberührt in München. Vorschläge zu Teilzeitarbeit und Vorruhestand würden ignoriert. „Weil sich das mit Dolores beißt“, vermutet der Betriebsrat.
Er würde ja eventuell in den Vorruhestand gehen, überlegt der Ingenieur in der Straßenbahn. 55 Jahre sei er alt; im Betrieb gebe es auch ziemlich viele über 60-Jährige. „Trotzdem dürfen die nicht alle Kämpfer abziehen. Wenn die erfahrenen Alten gehen, vielleicht auch noch die motivierten Jungen rausgeworfen werden – wer kämpft da noch für die Dasa?“ sip
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen