Pink, Curaçaoblau oder auch LSD-Grün

■ Viele aparte Frauen in „Csajok“ („Bitches“) von Ildikó Szabó im Wettbewerb

Als knallharte Realistin ärgert man sich eigentlich, wenn ein Film mit den Weissagungen einer Zigeunerin beginnt und damit endet, daß sich zwei Männer ein frischgeworfenes Baby abjagen — weil das nun einmal so ist mit dem Vaterstolz, wenn er denn richtig wuchert. Hin und her, her und hin schwingen sie den kleinen Plärrbold, und auch die neunzigminütige filmische Mitte besteht aus einem langen grellen Chaos. Doch siehe da, der — nach „Kindermorde“ — zweite Spielfilm der Ungarin Ildikó Szabó entläßt einen fröhlich grummelnd.

Was wohl auch daran liegt, daß Szabó auf „Csajok“ ihre erheblichen Kenntnisse der Kostümbildnerei anwendet. „Csajok“ ist in grellen New-Wave-Tönen gehalten, viel Pink, Curaçaoblau und LSD-Grün, was gut zu der Tatsache paßt, daß von drei erfrischend anstrengenden Frauen und deren mißratenen Ehen erzählt wird. Scheidungen, Affären, ungewollte Schwangerschaften, zwei Selbstmorde, und das alles in Bunt! Wie nur hat Ildikó Szabó diese Fülle in ihrem Film unterbekommen, und wie, verdammich, kommt es, daß im ungarischen Film an sich immer so viele aparte Frauen auftreten?

Dieselben haben große Auftritte im Schwimmbad, wo der Betrachter sie von drei Schwarzenegger-Lookalikes umkränzt sieht. Und hier ist auch schon die Interpretation, damit Sie nicht etwa denken, daß unsereins nicht arbeitet, sondern sich nur mopst. Wasser — Mutterleib, Schwarzenegger — Eiweißfutterleib. Sie besprüht ihn mit dem Pflanzenbestäuber, er tapeziert das gemeinsame Heim mit Tomatensuppe, und weil das nur an der Oberfläche lustig ist, müssen beide sehr dafür büßen, daß sie ihre gemeinsame Geschichte vergessen haben.

Die ganze Anarchie ist auf einer einzigen Wohnzimmerblumenbank zusammengefaßt — allein das ist eine Kunst. Szabó wollte einen Film über die Gemeinsamkeiten machen, die Hochzeiten und Scheidungen nun einmal aufweisen. Traurig, komisch, grotesk, surreal, schlimm, total überdreht und bedeutungsvoll sollte der Film geraten, und das ist er auch: eine Synthese aus Comedy-Sitcom, Buñuel und Tragödie. Ich kann es zwar nicht beweisen, aber das macht nichts. Anke Westphal

„Csajok“. Ungarn/Deutschland 1995, 95 Min., Regie: Ildikó Szabó

Heute um 9.30 Uhr im Royal Palast und um 21 Uhr in der Urania