Einfach eine Gefühlsnudel

■ Im Kino ist Jodie Foster zu Tränen gerührt, im Leben hat sie eher eine dicke Haut. Daß sie keine "unschuldigen" Erfahrungen macht, beklagt sie trotzdem im Interview

Mit „Familienfest und andere Schwierigkeiten“ ist Jodie Foster als Regisseurin beim Wettbewerb der diesjährigen Berlinale mit von der Partie. Anke Westphal, Bewunderin auch ihrer Schauspielleistung („Nell“), hat sie in Berlin getroffen und stellt fest: Miss Foster kann lachen, nicht nur im Film!

taz: „Familienfest und andere Schwierigkeiten“ erzählt von nervtötenden Traditionen, die man doch immer wieder mitmacht. Worin besteht das unendliche Geheimnis der amerikanischen Familie?

Jodie Foster: (lacht schallend) Keine Ahnung, wirklich! Ich habe zwar einen Film darüber gemacht, aber viele Sachen darin sind ja sehr universell. Mein Film läßt Mutter und Vater viel traditioneller erscheinen, als es für eine gewisse Generation typisch ist, die einfach ein wenig jene Rolle spielte, die man von ihr erwartete. Die nächste Generation sucht schon wieder nach einer eigenen Authentizität und Identität, wodurch sie sich natürlich ganz klar von ihren Familien entfernt. Eine universelle Kiste. Das eigentliche amerikanische Thema in diesem Film ist der Verlust des amerikanischen Traums, der die Familie ja einschließt.

Claudia verliert ihren Job, und zu dieser Identitätskrise kommt auch noch der Besuch bei der Familie. Aber wie ist das mit den anderen Familienmitgliedern?

Jede meiner Figuren wurde mit der Vorstellung geboren, irgendwann einmal am Glücksrad zu drehen und eine Million Dollar zu machen, Präsident zu werden und für den Rest des Lebens genau den Spaß zu haben, den sie mit 18 haben wollen. An einem bestimmten Punkt ihres Lebens, wenn sie 20, 40 oder meinetwegen auch 80 Jahre alt sind, wachen sie plötzlich auf und begreifen, daß der Traum offenbar nicht für sie gemacht wurde, sondern für irgend jemand anderen. Das ist eine unglaubliche Enttäuschung.

Dann ist „Familienfest“ auch ein Film über die Gefahren der Rückkehr zu den Wurzeln und über die Gefahr, die Träume in sich bergen?

Nun ja, letztendlich besteht die Botschaft des Films darin, daß es die Sache unbedingt wert ist – daß es sich nämlich lohnt, dieses Elend, diese bedrohliche Unsicherheit und die Qualen durchzustehen, die durch Claudias Rückkehr zu ihren Wurzeln hochkommen. Es lohnt sich einfach, einen Konflikt zu leben, sich aufzureiben und nicht übereinzustimmen. Bildlich gesprochen: Es lohnt sich, im Fahrstuhl mit Leuten steckenzubleiben, mit denen man vielleicht überhaupt nichts gemein hat – und genau das ist Claudias Situation.

Claudia ist eine Künstlerin Mitte 30. Was ist denn Jodie Fosters Phantasie über eine 40- oder 50jährige Jodie Foster?

Ich glaube, das möchte ich gar nicht planen. Das soll ruhig einfach auf mich zukommen.

Sie haben ja, so scheint es jedenfalls, alles erreicht?

Ja und nein. Als Regisseurin bin ich immer noch eine Anfängerin. Sehen Sie, „Familienfest“ ist gerade mal mein zweiter Film, und Regieführen ist immer noch ein bißchen wie ein Traum für mich. Ich muß noch ungeheuer viel lernen, weniger über das Regiehandwerk an sich, als über mich selbst, über meine Persönlichkeit, was dann ja wieder in die Regie einfließt. Das wird mich wohl in meinen Vierzigern und Fünfzigern voll auslasten.

„Familienfest“ ist ein ziemlich lustiger Film; die Leute im Kino haben sehr gelacht. Welche Filme bringen Sie denn zum Lachen – oder Weinen?

Ich heule in vielen Filmen. Es ist zu blöd. Ich bin ziemlich schnell gerührt und mitgenommen, wenn ich einen Film sehe – vielleicht, weil es da nicht um mein Leben geht. Was mein eigenes Leben angeht, so bin ich viel robuster, habe eine absolut dicke Haut. Wenn ich ins Kino gehe, kann ich mich emotional völlig gehenlassen, da bin ich einfach eine Gefühlsnudel. Ich kann es nicht erklären, aber immer wenn ich im Film einen Mann und eine Frau tanzen sehe, fange ich an zu heulen. In meinen Filmen gibt es immer eine Szene, in der zwei Leute tanzen, die wiederum jemand beobachtet, der nicht Teil dieser Intimität sein kann – „Das Wunderkind Tate“ zum Beispiel. Das ist eine Sache, die mich wirklich bewegt.

Sie sagten einmal, daß jede Figur aus „Familienfest“ einen Teil von Ihnen selbst repräsentiert. Welche der Figuren ist Ihnen am liebsten?

Oh, ich liebe sie alle! Ich kann mich auf alle drei Kinder beziehen, sie haben alle was von mir. Vielleicht ist mir Robert Downey jr. (der Bruder) ein bißchen lieber, weil er so gründlich mißverstanden wird und auch irgendwie ein tragischer Charakter ist. Deswegen spielt er ja pausenlos den Clown, um sich nicht völlig an seine Verletzbarkeit auszuliefern.

Irgendwann haben Sie gesagt, daß Sie viel verpaßt haben, weil Sie so erfolgreich waren. Nach welcher Art von Erfahrung sehnen Sie sich denn?

Naja, wirklich was verpaßt habe ich nicht, aber ich habe einfach ein vollkommen anderes Leben geführt. Zwar kein normales, trotzdem ein gesundes Leben. Berühmtsein hat ja gute und schlechte Seiten. Das wirklich Miese ist, daß es für mich sehr schwer ist, reine, praktisch „unschuldige“ Erfahrungen zu machen – etwas zu erleben, was nicht davon tangiert wird, was andere Leute über dich – als Star, als Regisseurin – wissen. Die Leute werden nervös, noch bevor ich den Raum betreten habe, sie sind voller Erwartungen an mich, und das ist wirklich hart. Wenn du drei Monate lang mit 120 Leuten am Set drehst, kommt man sich schließlich verdammt nahe. Interview: Anke Westphal