Der Mittelstand will keine Vorschriften

Nach dem Scheitern des überregionalen Bündnis für Arbeit soll jetzt auf regionaler Ebene verhandelt werden. Dort gibt es Widerstand und Zustimmung. DAG für Öffnungsklauseln  ■ Von Barbara Dribbusch

Das Bündnis für Arbeit in der Metallbranche soll ab übernächster Woche in den einzelnen Tarifgebieten verhandelt werden. Ab Aschermittwoch wollen die Tarifkommissionen tagen. „Ab 26. Februar ist mit Verhandlungen mit den Arbeitgebern zu rechnen“, erklärte gestern IG Metall Sprecherin Dagmar Opoczynski. In den Verhandlungen gehe es vor allem um die Frage des Freizeitausgleichs für Überstunden. Betriebliche Öffnungsklauseln in Tarifverträgen, die etwa eine Absenkung von Sozialleistungen erlaubten, seien mit der IG Metall nicht zu machen.

Als erste Gewerkschaft hat sich unterdessen die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) zu solchen Öffnungsklauseln bereit erklärt, wie DAG-Sprecher Ingo Schwope bestätigte. Es solle künftig den Unternehmensleitungen ermöglicht werden, daß bei Tariferhöhungen ein Teil des Volumens in den Betrieben wahlweise zur Beschäftigungssicherung eingesetzt werde, so Schwope. Bei den derzeit laufenden Tarifgesprächen im Bankgewerbe werde über solche Öffnungsklauseln aber nicht verhandelt.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hatte in den Bündnis- Gesprächen vorgeschlagen, in den Tarifverträgen sogenannte „Beschäftigungsoptionsklauseln“ festzuschreiben. Danach könnten Betriebe das Weihnachts- oder Urlaubsgeld mindern, wenn damit im Gegenzug zugesagt wird, den Personalstand zu halten.

In den regionalen Verhandlungen der Metall-Tarifpartner soll es jedoch vor allem um die IG-Metall-Forderung gehen, daß ab der ersten Überstunde zwingend ein Freizeitausgleich festgelegt wird. In den Spitzengesprächen mit dem überregionalen Arbeitgeberverband Gesamtmetall konnte über diesen zwingenden Ausgleich keine Einigung erzielt werden. In den Spitzengesprächen habe die Position der Arbeitgeber immer darin bestanden, „keinen obligatorischen Freizeitausgleich zu vereinbaren“, bekräftigte gestern Gesamtmetall-Sprecher Werner Riek.

Ob es in den Bezirken jetzt zu entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen kommt, ist zu bezweifeln. In den Metall-Arbeitgeberverbänden sind vor allem mittelständische Betriebe organisiert. Davon hatten einige schon mit Austritt aus dem Verband gedroht, wenn ihnen von Verbandsseite neue Vorschriften gemacht würden. Sowohl IG-Metall-Chef Klaus Zwickel als auch Gesamtmetall-Präsident Hans-Joachim Gottschol hatten daher angekündigt, daß künftig verstärkt auch in den Betrieben zur Überstundenfrage verhandelt werden soll. „Die Vielfalt betrieblicher Erfordernisse bei Mehrarbeit, die sich schon heute in den unterschiedlichen regionalen Tarifregelungen über Mehrarbeit, Zeitausgleich und Ersatz durch regelmäßige Arbeitszeit widerspiegelt, kann nach unserer Auffassung sachgerecht nur vor Ort gelöst werden“, so Gottschol.

Der IG-Metall-Bezirkschef von Baden-Württemberg, Gerhard Zambelli, zeigte sich gestern im „ZDF-Morgenmagazin“ optimistisch, daß es in den Firmen zu Einigungen über die Vergütung von Überstunden kommen werde. Bisher gibt es schon in vielen Betrieben Arbeitszeitkonten, die einen Freizeitausgleich für Überstunden vorsehen.

Zuletzt wurde für die rund 16.000 Beschäftigten der Postbank AG das Prinzip Freizeitausgleich für Überstunden festgeschrieben. Die Arbeitgeber zeigen sich zu solchen Regelungen meist dann bereit, wenn dadurch Überstundenzuschläge gespart werden und außerdem der Ausgleichszeitraum für die Freizeit möglichst lang ist. In manchen Automobilfirmen kann die angesparte Freizeit in einem Zeitraum von drei Jahren – also bei schlechterer Auftragslage – gewährt werden. Der Beschäftigungseffekt bleibt damit umstritten. Mit den betrieblichen Verhandlungen zu Überstunden ist die ursprünglich überregionale Bündnis-Idee auf einen Minimalkonsens geschrumpft. Am 1. November hatte IG- Metall-Chef Klaus Zwickel erstmals ein Bündnis vorgeschlagen, bei dem die Metall-Arbeitgeber pro Jahr 110.000 Stellen neu hätten schaffen müssen und sich die Gewerkschaft dann im Gegenzug zu Lohnsteigerungen in Höhe der Preissteigerungsrate bereit erklärt hätten. Außerdem sollte die Bundesregierung ihre geplanten sozialen Kürzungen zurücknehmen.

Von dieser Maximalforderung blieb wenig übrig. Gesamtmetall und Gewerkschaft erklärten sich immerhin dazu bereit, eine paritätisch besetzte Expertengruppe einzusetzen, die die Tarifrunde von 1997 „analytisch“ vorbereitet und Empfehlungen vorgibt. Außerdem wurden niedrige Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose vereinbart. Die Bundesregierung verringerte die jährliche Kürzung der Arbeitslosenhilfe von ursprünglich fünf auf jetzt drei Prozent.