Ein Kessel buntes Unbewußtes

■ Vom Filetieren: „301 302“ von Chul-Soo Park (Panorama)

Chul-Soo Park hat eine Schwäche für Frauen und den Hang zur einfachen Pädagogik. In Filmen wie „Misty Pillar“, „The Mother“ oder „The Woman who walks on the water“ zeigte sich am Schicksal seiner Heldinnen, daß Korea heute zwischen asiatischem Chip-Kapitalismus und der hart erarbeiteten Schale Reis unsicher dahintreibt. Die Welt ist hochtechnisch und komplex, die Bedürfnisse sind es nicht.

Auch in „301 302“ sollen sich Beziehungen zwischen Menschen ergeben, die der Wertewandel gespalten hat. Die verhärmte Yoon- Hee Kim lebt als Journalistin für Frauenzeitschriften einsam in einem anonymen Luxus-Appartment. Wenn sie nicht gerade am Computer Sex-Tips für kriselnde Partnerschaften erfindet, muß sie bulimieren. Nebenan wohnt Song- Hee Kang, deren Sorge allein unzumutbar lecker aussehenden Gerichten gilt. Park nimmt sich dafür viel Zeit, nicht einmal in „Tampopo“ wurde so ausgiebig kesselweise Buntes gequirlt und filetiert.

Die eine Wohnung ist als Bücherregal eingerichtet, Kang dagegen lebt in einer teflonbeschichteten Edelstahlküche. Klar, daß sich die beiden so sauber in Körper und Kopf aufgetrennten Figuren erst einmal wie Katz und Maus bekriegen. Die eine kocht der anderen die letzten Lebensgeister aus dem magersüchtigen Leib. Dann wird in Rückblenden der Scherbenhaufen zusammengepuzzelt: Kims Angst vor dem Essen kommt vom Vater, der ein Fleischer war und sie als Kind mißbrauchte. Und als wäre dies nicht Trauma genug, verendete noch ein kleines Mädchen im Kühlschrank, der „immer mit genügend Fleisch gefüllt ist“.

Mit solchen Erinnerungen kann man sich natürlich nur übergeben. Warum aber kocht Kang wie wild? Aus Frust über ihren erschlaffenden Ehemann. Irgendwann landete auch der Hund in der Pfanne, und ihr Gatte reichte die Scheidung ein. Um sich endlich selbst zu finden, führt sie Tagebuch. Doch außer neuen Rezepten gibt es in ihrem Leben nichts mehr zu notieren. Die ideale Situation für einen kleinen identitätsstiftenden lesbischen Subplot. Daß dann statt Liebe allerlei unappetitliche Dinge zwischen den Frauen passieren, hängt mit dem ultrabrutalen Yin- Yang-Spiel zusammen, und an der Moral des Fressens und Gefressen- werdens. Das Glück der einen ist die Mahlzeit der anderen, nicht bloß bildlich. Ganz mag man dem Regisseur nicht trauen, zu dramatisch spitzt sich bei aller Begeisterung für Asian-Food-Action die Geschichte auf den einen Punkt zu: Nicht das Essen ist schlecht, sondern die Gesellschaft, in der es gekocht wird. Harald Fricke