Ein amüsanter Feuertod

Der Schock ist furchtbar noch: Richard Loncraine hat „Richard III“ (Wettbewerb) als Krone des Bösen neben Hitler und Stalin gestellt  ■ Von Harald Fricke

Im Historien-Drama wird heute nicht mehr der heilsgeschichtliche Ton angeschlagen wie in den alten Kriegs-, Ritter- oder Sandalen-Epen. Der Engländer Richard Loncraine hat im Jahr der heißen Rittmeister und royalen Trennungsabsichten, mit einem Wort: in dem Jahr, da es um den Fortbestand der britischen Monarchie schlecht stand wie nie, einen Film über Shakespeares schrecklichen Tyrannen gewagt. Richard III., das ist bei ihm die ewige Wiederkehr des Bösen, ein Monster, das wie Hitler kalten Herzens töten läßt und dann, im Dunkeln einsam weinend, Stalin gleicht.

Loncraines Richard ist in den dreißiger Jahren angekommen. Es herrscht Bürgerkrieg, und der bucklige Herzog von Gloucester räumt den königlichen Hof beiseite. Alles ist zunächst in gedeckten Tönen gehalten, das Militär stets muffig und moosgrün, und Ian McKellen changiert in der Rolle des Richard hervorragend zwischen Dandy, Feldherr und Kettenraucher. Doch mit jedem Mord wird das Regime dem Faschismus ähnlicher, die Uniformen färben sich SS-schwarz, Lord Buckingham als Berater ist Göring nachempfunden; der Wappen- Eber der Gloucesters auf rotem Grund erinnert ans Hakenkreuz, und die Ausrufung des neuen Königs findet in Reichsparteitagsmanier statt. Die Verwandlung der Gestalt aus Elisabethanischer Zeit zur Bestie in Naziuniform geht mit einer einfältigen Machtpsychologie einher. Zwischen dem Gefühlskrüppel und seinen stiernackigen Söldnern spielen sich Homoszenen ab. Am Ende klappt der Führer zusammen, als ihn die Königinmutter mit Liebesentzug straft.

Das alles ist sehr modern, nur paßt es nicht zum Text. Was Shakespeare als ausgetüftelten Monolog über die göttliche Ordnung und das Gesetz der Natur ins Vorspiel gepackt hatte, wird von Loncraine auf der Kabarettbühne als Swingparty parodiert. Die Rede über das Elend seiner verwachsenen Gestalt beendet McKellen mit Blick auf den Hosenschlitz. Nach dem Königreich für ein Pferd fleht er, als der Jeep im Schlamm steckenbleibt. Die finale Schlacht ist ein B-Picture- Durcheinander aus Tanks, Pyrotechnik und hongkonghaft herumflatternden Stuntmen. Bei Richards Sturz in den Feuertod hat das Publikum sehr gelacht. Wir bleiben dabei: We are not amused.

„Richard III“. GB 1995, 103 Min. Regie: Richard Loncraine. Mit: Ian McKellen, Annette Bening