■ Nebensachen aus Kapstadt
: Palastrevolution mit Pop-Art und Neonfarben

Bunt ist die neue südafrikanische Flagge und symbolisiert ein auf die Seite gekipptes Y. Bunt ist nun auch das Große Auditorium im Parlament in Kapstadt. Die Stuhlreihen sind neu bezogen, mit Stoff Zebramuster. Auch die Wände erstrahlen in neuem Glanz. Die Tapete ist mit grünen und braunen Farnblättern gemustert. Auch hier mußte die Flagge her, die jetzt an der Stirnseite des Raums prangt.

Nicht wirkungsvoll genug, muß das Parlament gedacht haben, als es daran ging, das Domizil der Volksvertreter den neuen demokratischen Verhältnissen anzupassen. In der Mitte der Flagge thront jetzt ein Pfau, von dem aus gelbe Strahlen ausgehen. Phönix aus der Asche? Das neue Südafrika, das zur Sonne aufsteigt? Bunt sind auch die Gänge im eigentlichen Parlament gegenüber. Steve Biko in Neonfarben, Pop-Art von Roy Lichtenstein, der junge Mandela mit einer Dornenkrone, Collagen, die John Vorster, Chefideologe der Apartheid, und Hitler in eine Reihe stellen.

Pünktlich zur Parlamentseröffnung am 9. Februar fand in den heiligen Hallen eine Palastrevolution statt. Die alten Götter sind gefallen. Die Ölgemälde, die die Vordenker und Handlanger der Apartheid abbildeten, sind verschwunden.

Statt dessen hängen fast einhundert moderne Kunstwerke an den Wänden. In anderen Ländern ist die Ausstellung bekannt, in Südafrika kaum. 1983 wurde sie unter dem Titel „Kunst gegen Apartheid“ mit Hilfe der UNO zusammengestellt, jetzt hat sie Paris Südafrika geschenkt.

Kein Ort sei besser geeignet und öffentlicher, als das Parlament, glaubten die so Beschenkten. Vorerst ist er nicht ganz so öffentlich, nur die Abgeordneten und Journalisten kommen in den Genuß der Sammlung. Das soll sich bald ändern, dann sollen die Bilder dem Volk zugänglich sein – allerdings nur mit Führung. Sonst könnte das Volk sehen, daß die Ölschinken der britischen Königsfamilie bleiben durften, oder auch Litographien aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die die „Hottentotten“, die Ureinwohner am Kap, aus europäischer Sicht darstellen.

Ein halbes Jahr dauert die Ausstellung. Und dann? Über den Umgang mit dem Erbe aus der Kolonial- und Apartheid-Zeit muß das Parlament dann entschieden haben. Die Meinungen sind geteilt. Die Nationale Partei schäumt. Blasphemisch seien die Bilder, schamlose Pornographie. Ob es auch schamhafte Pornographie gibt, wußte niemand zu sagen. Der Präsident tanzte zur Eröffnung. Brigitte Mabandla, stellvertretende Kulturministerin, hielt eine flammende Rede über politische Kunst. Weite Teile der südafrikanischen Gesellschaft waren jahrzehntelang völlig abgeschnitten von den Entwicklungen in anderen Teilen der Welt. Die Führer aus der Pressestelle des Parlaments, die ausländische Journalisten begleiten, sind vollkommen ahnungslos von dem, was da jetzt hängt. Auch hohe ANC-Mitglieder waren auf der Eröffnung nicht gerade erbaut von dem, was sie sahen. Nehmt das Zeug so schnell wie möglich wieder ab, zischte einer der Sprecher Mandelas. Dann doch lieber Zebramuster und strahlende Pfaue? Kordula Doerfler