: Völker von Siberut wieder in Gefahr
■ Indonesien startet erneut Einwanderungsprogramm für die Insel, damit „die Einwohner nicht in ihrem Zustand“ bleiben
Erneut von javanischen Siedlern bedroht sind die einheimischen Waldvölker der Insel Siberut vor der Küste Sumatras im Westen Indonesiens. Wie die Zeitung Jakarta Post am vergangenen Donnerstag meldete, soll die Insel für das staatliche Umsiedlungsprogramm freigegeben werden. Erst 1992 hatte der indonesische Präsident Suharto ein ähnliches Vorhaben nach internationalen Protesten gestoppt.
Die Regierung siedelt mit dem „Transmigrasi“-Programm arme Familien von der dichtbevölkerten Insel Java auf die dünner besiedelten äußeren Inseln des Vielvölkerstaates um. Im Haushaltsjahr 95/96 sollten 77.000 Familien verschickt werden. Da zum Plansoll bis Ende März noch 23.000 Familien fehlen, bringt sich die Regierung nun selbst in Zugzwang. Der Minister für Transmigration, Siswono Yudohusodo, erklärt dies freilich anders: „Die Insel Siberut ist sogar noch weiter zurückgeblieben als die meisten Regionen im Osten Indonesiens; ihre Einwohner leben noch sehr in einer vergangenen Epoche. Es ist offensichtlich, daß wir sie nicht in diesem Zustand lassen können.“
Ein vor Ort lebender Umweltschützer bezeichnet die Absichten der Regierung jedoch als „legalisierten Genozid“. Auf der 4.480 Quadratkilometer großen Insel Siberut leben nur 22.000 Menschen, hiervon sind 18.000 Angehörige von 13 verschiedenen Völkern der Mentawai. Sie haben eine reichhaltige Kultur entwickelt, die perfekt auf die ökologischen Bedingungen der unfruchtbaren Regenwaldinsel abgestimmt ist. Mit der staatlichen „Zivilisierungspolitik“ wurden ihre traditionellen Dörfer aufgelöst, sie selbst in staatliche Siedlungen umgesetzt, die Ausübung ihrer Religion wurde ihnen verboten, ihre langen Haare auf javanischen Kurzschnitt getrimmt.
Hiergegen mobilisierte sich Ende der Achtziger die Öffentlichkeit. Ein alternatives Nutzungskonzept samt Naturpark und Tourismus wurde von Umweltschützern entwickelt. Zur Finanzierung erklärte sich die Asian Development Bank bereit. 1991 startete die Umweltorganisation Robin Wood in Deutschland eine Protestkampagne, in deren Verlauf ein Radiointerview auch in Indonesien ausgestrahlt wurde. Die Solidarität der dortigen Öffentlichkeit brachte schließlich die Wende.
Um den Einheimischen die Chance zu geben, die Entwicklung der Insel selbst zu bestimmen, unterstützt Robin Wood den Ausbau der Infrastruktur der lokalen Protestbewegung. Als jedoch deren Leiter unter ungeklärten Umständen starb, geriet sie unter staatlichen Einfluß: Die neuen Anführer arbeiten eng mit dem Umweltministerium zusammen. Christoph Meyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen