Sanssouci
: Vorschlag

■ Ausgefranst, nicht straight: Long Fin Killie im Knaack

Mehr als einzelne Bands stehen bestimmte Labels – meistens klein und „unabhängig“ – für die Veränderung von Sounds und Hörgewohnheiten. Das englische Label Too Pure zum Beispiel: Vor drei Jahren gegründet, ist es mittlerweile der Inbegriff für die Verkantung von inselüblichen Pop- und Rock- mit Ambient- oder Technoklängen. Wie das leider so geht, sackten andere Geld und Popularität ein. Mit Bands wie Moonshake, Pram oder Seefeel sorgte Too Pure jedoch, ohne die alten Zöpfe „Band“ oder „Rock“ gleich ganz abzuschneiden, für dringend benötigte Impulse und Innovationsschübe im Indiebereich.

Auch die vierköpfigen Long Fin Killie verkörpern ideal die corporate identity von Too Pure. Auf ihrem letztjährigen Debüt „Houdini“ verändern sie in allen Songs die gewohnte Songstruktur: Das Malen von Flächen dominiert hier die kurze, knappe Pop-Produktion. Ausfransungen bestimmen die Songs, nicht straightness. Klänge der verschiedensten Instrumente mäandern durch die Lieder. Und bevor die Soundscapes auseinanderfallen, bauen kleine, helle Percussionseffekte die Brücken, über die beispielsweise eine Geige zu ihrem Einsatz kommt.

Die Stimmungen, die Long Fin Killie produzieren, muten altertümlich, spinnwebig, ein wenig muffig an. Verstärkung erfahren diese Atmos durch die häufig eunuchenartige Stimme von Sänger Colin Grieg; das aber, wie es scheint, bewußt und spielerisch, denn in einem Song wie „The Lamberton Lamplighter“ erreicht Grieg durchaus die Festigkeit eines Morrissey oder die Spitzheit eines Robert Smith. Und wo wir schon bei Morrissey sind: In den Geschichten, die Colin Grieg erzählt, steht er dem großen alten Mann des Brit-Pop wenig nach. Indem er die eigene, homosexuelle Identität als einzige und endgültige Zuschreibung elegant zurückweist, singt Grieg wahlweise von Irrungen und Wirrungen in den geschlechtlichen Perspektiven, von Midlife- Adonissen mit „clear skin, clear hear, clear smile, dead style“ und anderen Smarties, „who smell like a gameshow“. Gerrit Bartels

Heute, 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße, Prenzlauer Berg