Ein Student und sechs Kerle

Prozeß um Autoschieberbande: Wagen im Wert von 2,5 Millionen Mark über den ehemaligen russischen Militärflughafen Sperenberg verschoben  ■ Von Plutonia Plarre

Hier der schmächtige Student mit Brille, Schlips und Kragen. Dort die muskulösen Kerle in Lederjacken, Jeans und Turnschuhen. Der Kontrast zwischen den sieben Angeklagten, die sich seit gestern in Moabit wegen bandenmäßigen Diebstahls und Hehlerei vor einer Großen Jugendstrafkammer verantworten müssen, könnte kaum größer sein. Der Vorwurf: Autodiebstahl, vornehmlich von neuwertigen BMW, aber auch von Mercedes, Audi und Ford im Wert von 2,5 Millionen Mark. Die gestohlenen Autos wurden in den Jahren 1993 und 1994 nach Osteuropa verschoben, wobei auch der ehemalige russische Militärflughafen Sperenberg als Umschlagplatz diente. Einer der Angeklagten ist russischer Staatsangehöriger.

Mit 18 bis 25 Jahren sind die Angeklagten noch ziemlich jung an Jahren. Die meisten kommen aus Treptow, haben weder Ausbildung noch Arbeit. Einige hatten schon Knasterfahrung, als sie Ende 1994 wegen der Autodiebstähle festgenommen wurden. Drei sitzen immer noch in Untersuchungshaft, darunter der 27jährige Russe Anatolij B. Die übrigen wurden gegen Meldeauflagen von der weiteren Haft verschont.

Auf freiem Fuß ist auch der 25jährige Medizinstudent Sascha B., der sich gestern nicht nur optisch von seinen Mitangeklagten unterschied. Er leistete sich als einziger zwei Verteidiger, schrieb eifrig mit und versuchte seine Tatbeteiligung auf Kosten der anderen als möglichst gering darzustellen. Nach dem ersten Prozeßtag sieht es aber ganz so aus, als ob der Studiosus, der eigenen Angaben zufolge vier Semester abgeschlosen hat, seine Finger viel tiefer in der krummen Sache drin hatte, als er zugab. Eigenen Angaben zufolge habe er in wenigen Fällen als Mittler fungiert zwischen der Diebesgruppe, die die Autos knackte, und der Truppe, die sie an einem verabredeten Ort in Empfang nahm und Anatolij B. und anderen Russen zukommen ließ.

Gefragt waren vor allem neuwertige, edel ausgestattete BMW, die nicht mehr als 60.000 Kilometer auf dem Tacho hatten und in den Villenvierteln Schlachtensee und Wannsee von der Straße verschwanden. Für einen 50.000 Mark teuren Wagen sollen die Russen um die 5.000 Mark gezahlt haben. Der Medizinstudent behauptete gestern, er habe davon nur 500 Mark behalten, den Rest hätten die Diebe bekommen. An den entgeisterten Blicken seiner Mitangeklagten war allerdings abzulesen, daß dies nicht ganz der Wahrheit entsprechen kann.

Genaueres wird der morgige Verhandlungstag zeigen, wenn sich die übrigen Angeklagten zu den Vorwürfen äußern. Vorab erklärten sie gestern bereits, die Anklageschrift treffe im wesentlichen zu. In zwei Fällen sollen die Angeklagten in Absprache mit den Autobesitzern den Wagen gestohlen haben, damit diese einen Versicherungsfall fingieren konnten. Ein anderes Mal soll ein Fahrer aus seinem Wagen gezerrt und zum Unterschreiben eines Schuldscheins gezwungen worden sein. Einige der Angeklagten stehen außerdem wegen vier Banküberfällen vor Gericht.

Völlig bedeckt hielt sich gestern der Russe Anatolij B. Mit Hilfe seiner Dolmetscherin erklärte er auf die Frage des Vorsitzenden Richters knapp: Er kenne von den Mitangeklagten nur einen einzigen, und diesen auch nur sehr flüchtig.