Auf der Suche nach dem lausigen Autor

■ Ganz logisch: „Des Nouvelles du bon Dieu“ von Didier Le Pêcheur (Panorama)

Sterben? Pah! Da, der arme Trottel da vorne, existiert der wirklich? Eine Hypothese! Laß uns nachsehen! Der Motor von Evangiles Taxi heult auf und zack, ist das erste Opfer über den Haufen gefahren. Das war kein Mord, sondern angewandte Literatur, so sehen es jedenfalls Nord und Evangile. Nach der These des verehrten Schriftstellers Battavia, der zu Beginn des Films seinen Wagen mit großem Aplomb gegen eine Mauer gefahren hat, war der Fußgänger schlicht eine Erfindung, eine Figur in einem beschissenen Roman, seht euch nur sein Gesicht an. Er existiert nicht. Und wenn er nicht existiert, spielt sein Tod keine Rolle. Battavia hat für seine Theorie bereits unerschrocken den Beweis angetreten.

Nord (Christian Charmetant) und Evangile (Marie Trintignant) geht ihr Leben auf die Nerven. Sie beschließen, sich bei ihrem Erfinder zu beschweren — bei Gott. „Wir wollen ihm nichts tun. Nur mit ihm sprechen, von Mann zu Mann“, versichert Evangile dem Priester Schiwago. Der ist bald mit von der Partie, und am Ende sind gar sechs Personen auf der Suche nach ihrem Autor.

Mord und Philosphie: Didier Le Pêcheurs Film „Des nouvelles du bon dieu“ ist eine Art französisches „Pulp Fiction“. Die Unterschiede sind fein, aber bedeutend. Marie Trintignants Frisur — lange Haare, langer Pony — ist mindestens so 70er-Jahre-mäßig wie Samuel Jacksons Afro und es gibt da einen Tanz... Doch während Tarantino durch das Comichafte seiner Figuren die Distanz zum Programm erhoben hat, sind Pêcheurs Figuren recht lebensnah: Evangile ist eine Art Bonny Parker, mit einer kräftigen Portion agressivem Sex, ihr Bruder Nord ist so häßlich wie man mit einer abgeknickten Vogelnase nur sein kann, aber er debattiert wie Voltaire und vögelt wie Valentino.

„Auf der Suche nach einem lausigen Schriftsteller namens Gott“ hört sich äußerst zweifelhaft an, aber da die Suche mit großem Ernst verfolgt wird, entwickelt sich die Geschichte mit wunderbarer Logik. Schon die Tatsache, daß man Gott nur im Tod begegnen kann, ist ein Problem, dessen Lösung eine wissenschaftliche Herangehensweise erfordert. Schließlich wollen die Akteure nicht aus ihrem Roman verschwinden, sondern nur einen besseren Dialog. Thesen werden aufgestellt und wieder verworfen, jedoch nicht, ohne sie vorher praktisch überprüft zu haben.

Ein Beispiel: Die Redewendung „Der kleine Tod“ bezeichnet gemeinhin einen Orgasmus. Herauszufinden, ob da etwas dran ist, wird dem Priester überlassen. „Er hat noch nie gevögelt, das wird ein Schuß bis in den Himmel“, sagt Evangile. Und so sitzen alle auf dem Bett herum, während Schiwago sein Bestes tut, um zu Gott zu gelangen. Auch wenn diese Methode noch nicht zu Ziel führt — am Ende finden sie ihren Schriftsteller und das auf ganz logische Weise. Anja Seeliger

„Des Nouvelles du bon Dieu“, Frankreich/Schweiz/Portugal 1995, 100 Min., Regie: Didier Le Pêcheur