Polizei führt eine brandheiße Kartei

■ Erfassung von Personen, die nur im Verdacht standen, gekokelt zu haben

Die Sammelwut der Berliner Polizei ist ungebremst. Jüngstes Beispiel ist die „Tatverdächtigenkartei“ der Brandkommission. In ihr werden 3.500 sowohl verurteilte Brandstifter als auch Verdächtige gespeichert. Selbst wenn dem Verdacht nie eine Anzeige oder eine Verurteilung folgte. „Die Richtschnur ist: Gibt es eine Kommission, dann gibt es auch eine Verdächtigenkartei“, sagt Lena Schraut, Datenschutzmitarbeiterin in Brandenburg.

Nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz, kurz Asog, dürfen die Ordnungshüter zur „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ auch nach Abschluß von Ermittlungsverfahren Personendossiers zu „besonders erheblichen Straftaten“ anlegen. Im Zuge der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ ist es ihnen gesetzlich erlaubt, auch „Zeugen, Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen“ zu vermerken.

„Oft ist die Speicherung unzulässig. Auch nach dem neuen Asog muß sie noch begründet werden“, kritisiert die stellvertretende Berliner Datenschutzbeauftragte, Claudia Schmid, die Praxis der Polizei.

Eine besondere Vorliebe hat die Berliner Polizei für Prostituierte entwickelt. Etwa 5.000 Personen sind in der Datei „Zuhälterei, Menschenhandel und ähnliche Delikte“ versammelt. Frauen werden darin, neben Zuhältern, nicht wegen einer Straftat, sondern allein deshalb notiert, weil sie der Prostitution nachgehen. Im LKA1, zuständig für Organisierte Kriminalität, findet sich die „Falschgelddatei“, in der neben Tatverdächtigen auch sogenannte andere Personen auftauchen. Gemeint sind Personen, die mit Tatverdächtigen „in einer Weise in Verbindung stehen, die erwarten läßt, daß die Speicherung zur Aufklärung von Straftaten beiträgt“. Beim selben LKA wird auch die „SDF“-Kartei geführt: Schecks, Dokumente und Falschgeld. „Andere Personen“ auch hier inklusive.

Die Polizei macht aus „kriminaltaktischen Gründen“ keine Angaben zur Anzahl ihrer Dateien. „Es ist davon auszugehen, daß in jedem Spezialgebiet, ob Sitte, Brand oder Mord bis zu Jugendlichen, eigene Karteien angelegt wurden“, schätzt Otto Diederichs vom Institut für Bürgerrechte und Polizei.

Sämtliche Ermittlungsvorgänge zu Straftaten werden neben der Speicherung in speziellen Dateien in das Berliner „Informationssystem zur Verbrechensbekämpfung“ (ISVB) eingespeist. Eingegeben werden dabei sowohl Straftäter als auch Anzeigende. Besonders hervorgetan hatte sich die Polizei bei der Erstellung ihrer Olympia-Kartei, in der sie Personen speicherte, die gegen „Umstrukturierungsmaßnahmen im weitesten Sinne“ sind. Inzwischen ist über die Hälfte der 217 Personen in die bundesweite „Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit“, eine Datei über terroristische Umtriebe, unter dem Stichwort „Olympia 2000“, eingespeist. Barbara Junge