: Volle Halbtags-Omas & Schlüsselkinder
■ GEW-Diskussion: Kritik an Verläßlicher Halbtagsgrundschule reißt nicht ab Von Patricia Faller
Die Abneigung gegen die „Verläßliche Halbtagsgrundschule“ hält an. Dies verdeutlichte am Montag abend mal wieder eine Podiumsdiskussion der GEW unter anderem mit den schulpolitischen Sprechern der GAL, der SPD und der CDU. Rund 400 LehrerInnen und Eltern übten massive Kritik an der sogenannten „Jahrhundertreform“, die diesen Namen nach ihrer Ansicht nicht verdient. Die Rahmenbedingungen seien zu schlecht. Sie forderten bei einer Abstimmung mehrheitlich unter anderem zwei Teilungsstunden pro Tag für jede Klasse, einen Gruppenraum pro Klasse und deutlich kleinere Klassen. Nicht zuletzt sollten die Schulen selbst entscheiden, wann und in welchen Schritten sie das Konzept umsetzen können.
Der SPD-Schulexperte Günther Frank stand ziemlich allein auf weiter Flur mit seinem Lob für „die größte Reform seit der Einführung der Grundschule“, wofür er Buh-Rufe erntete. Er warb für einen runden Tisch für gemeinsame Überlegungen, das Beste aus dem Projekt zu machen. Für Anfang Mai kündigte er eine Bestandsaufnahme an, die ein differenziertes Bild der bisherigen Entwicklungen bieten soll.
Ein düsteres Bild zeichnete sich an diesem Abend ab. Da war von einer Grundschule in Wilhelmsburg die Rede, die seit Herbst wöchentlich ihren Unterrichtsausfall dokumentiert und an die Schulbehörde schickt. Das Fazit, das andere Schulen bestätigten, war: Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Verläßlichkeit nicht garantierbar und die Qualität des Unterrichts leide, vor allem dann, wenn man das Ziel habe, mehr als nur Rechnen, Schreiben und Lesen zu vermitteln. Vor allem schwächere SchülerInnen hätten das Nachsehen.
Daß auch die Schulbehörde nicht ganz auf die Verläßlichkeit vertraut, zeigte ein Mitglied der Initiative Altonaer GrundschullehrerInnen. Für Notfälle müßten die KlassenlehrerInnen Listen mit Eltern zusammenstellen, die die Kinder betreuen könnten, wenn mehrere LehrerInnen gleichzeitig ausfielen – eine Methode die den GAL-Schulexperten Kurt Edler zu der Wortkreation der „Vollen Halbtags-Oma“ hinriß. Nachdem diese Mütter von der Senatorin als Luxusmütter beschimpft worden seien, weil sie auf die Nachmittagsbetreuung nicht angewiesen seien, würden sie jetzt schon als Bereitschaftseltern verplant.
Die schulpolitische Sprecherin der CDU, Ingeborg Knipper, prophezeite mehr Schlüsselkinder durch die „Verläßliche Halbtagsgrundschule“: „Um 13.30 Uhr schicken die Eltern ihre Kinder nicht mehr in den Hort, wenn sie voll dafür bezahlen müssen.“ Eine Senkung der Beiträge sei erst vorgesehen, wenn alle Grundschulen umgewandelt sind.
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