Jeck macht Dreck Von Fritz Eckenga

„Was raus muß, muß raus!“ quallt es ja schon immer aus dem selten weisen Volksmund, und so folgte das von langer Herbst- und Winternacht verdunkelte Grauvolk nur allzu willig und massenhaft dem Ruf seiner karnevalistischen Avantgarde: „Heraus zum Rosenmontag! Brüder zu Bockwurst und Pilsbier / Schwestern zu Mettmann und Kölsch.“

Und weil tatsächlich alles raus muß, was selbst beim besten Willen nicht mehr reinpaßt, mußte am Ende dieses auch ansonsten recht deprimierenden Monats eine Woge der Entäußerung in die malerischen Winkel der „City“ schwappen und sich an den dort aufgestellten städtebaulichen Höhepunkten erbrechen.

Semiverdautes glitt an Kaufhausschaufenstern abwärts, gespuckte Matjesbrötchen hafteten an kunstvollen Pylonkonstruktionen, und massenhaft abgepumpte Mageninhalte hinterließen an Großbankfassaden imposante Schlieren. Ein leicht beißendes Harnodeur fächelte über Plätze und durch Passagen, als die Bewegung 19. Februar zum Straßenkarneval gewaltig austrat.

Während der organisierte Teil der Bewegung ausgelaugt und schlampig kostümiert die finale Sessionparade abhielt, mit letzter Kraft heiser „Helau“ hechelnd Bonbons auf gelangweilt am Rande stehende Kinder und deren genervtes Erziehungspersonal ablud, zogen desperate Fußtruppen weitaus effektiver durch die innerstädtischen Viertel, offensichtlich im unablässigen Bemühen vereint, die Jahresproduktion der heimischen Bierindustrie an nur diesem einzigen Tag in sich zu vernichten. Ein heldenmütiger Kampf, der noch bis spät in die Nacht tobte, lediglich unterbrochen von jenen kurzen Momenten, in denen die Kombattanten die natürlichen Grenzen der Aufnahmekapazitäten überschritten und würgend, seichend und sabbernd Platz schafften für frisches Füllmaterial.

Verluste gab es wie in jedem ernsthaften Gefecht natürlich auch, sie wurden aber im Gegensatz zu jenen nicht beklagt, sondern fröhlich und gutgelaunt in die mit Hochdruck arbeitenden Magenauspumpstationen des städtischen Gesundheitsdienstes ausgelagert.

Irgendwann aber in tiefer Nacht hatte der letzte inkontinente Indianer das letzte Glas geleert, der letzte kollabierende Cowboy das letzte Häufchen gebrochen. Irgendwann wurden sie von angewiderten Taxifahrern nach Hause entsorgt und rematerialisierten sich dort mittels Schlafmetamorphose in Abteilungsleiter und Sachbearbeiter.

Und längst war der Morgen des folgenden Tages angebrochen, als die Resultate des 19. Februars von kommunalen Reinigungsfahrzeugen weggeschwemmt und aufgesaugt waren. Kolonnen orangegewandeter Müllwerker hatten, Heinzelmännchen gleich, das Schlachtfeld geräumt und die Stadt hergerichtet für kommende, saubere Tage. An denen hat zwischenzeitlich wohl sogar der letzte Straßenfeger begriffen, was es mit der präzisen Sprache dieser Kulturnation auf sich hat: „Isse Jeck – macht Dreck!“

Wirkliche Integration funktioniert ja nur auf der Basis gegenseitigen Verständnisses. Und so wäre an diesem ereignisreichen Tag dann doch noch ein Stück weit etwas herausgekommen.