■ Corrida in Hongkongs Bambusarena: Protest der Stierschützer
Hongkong (taz) – In Macao, der portugiesisch verwalteten Enklave an der Südküste Chinas, begann das Jahr der Ratte mit Stiergebrüll. Oder sagen wir besser: mit Stierwimmern. Das chinesische Neujahrsfest wird im Kreis der Familie gefeiert, aber in diesem Jahr beschlossen die portugiesischen Funktionäre von Macao, das Rattenjahr sei am besten mit Stierkampf zu begrüßen – erstmals wieder seit mehr als zwanzig Jahren.
„Ich lebe schon einige Zeit in Macao... vor langer Zeit gab es schon einmal einen Stierkampf, und die Leute kamen hin und haben sich wirklich prächtig amüsiert,“ erklärt José Pinto, dessen Firma „Taurus“ das Spektakel organisiert. Für die Wiederbelebung der Stierkampftradition ließ Pinto neununddreißig Stiere, sechs Reiter und ihre Pferde einfliegen [bei der portugiesischen Variante des Stierkampfes werden die Rindviecher vom Pferd aus mit Lanzen in den Hals gestochen, d.Red.] Die Kämpfe sollten vom Wochenende bis Dienstag stattfinden. Um die Touristen aus den Kasinos zu locken, baute man an der Küste ein 6.000-Plätze-Stadion aus Bambusgerüsten.
Am Samstag, dem ersten Tag der Stierkämpfe, war das Stadion jedoch weniger als halbvoll. Eine kleine, aber lautstarke Schar Tierschützer demonstrierte gegen das böse Treiben, und eine Zuschauerin überlebte nur um Haaresbreite.
In einer radikalen Umdeutung chinesischer Traditionen hatten die portugiesischen Organisatoren des Stierkampfes ein lai see-Päckchen – einen roten Umschlag, der mit Bargeld gefüllt ist – zwischen die Hörner des Stiers plaziert. Das Publikum wurde aufgefordert, sich nicht allzuviel überflüssige Sorgen um körperliche Unversehrtheit zu machen und die Prämie an sich zu reißen. Auch Yvonne Ho kletterte zusammen mit acht weiteren Wagemutigen in die Arena und versuchte, den Preis von 3.000 Hongkongdollars (rund 600 Mark) zu ergattern. Das Tier wollte sich jedoch weder anfassen noch berauben lassen. Die Matadorin wurde hoch in die Luft geschleudert und hatte noch großes Glück, daß der Stier sie nicht zu Tode trampelte.
Das war vielleicht der letzte Versuch in Sachen Kulturimperialismus für die portugiesischen Herrscher von Macao. Im Jahr 1999 wird die Enklave an China zurückgegeben werden. Und so applaudierten die portugiesischen Würdenträger jedesmal kräftig, wenn eine Lanze in einen Stier gestochen wurde, und sie warfen körbeweise Blumen in Richtung ihrer Lieblingstiere.
Von den Tierschützern wurde diese Begeisterung naturgemäß nicht geteilt. Darüber hinaus hatten sie bereits verkraften müssen, daß einer der ihren zum Gegner gewechselt war: Als Sponsor der Stierkämpfe fungierte Stanley Ho, der Kasino-König von Macao und ehemaliger Ehrenpräsident der Königlichen Gesellschaft für den Tierschutz von Hongkong.
„In meinem ganzen Leben habe ich wohl noch nie sowas Abscheuliches gesehen...“, sagt Tierschützer Steven Lewis, „der Stier wand sich vor Schmerz, Schaum stand ihm vor dem Maul und Blut rann von seiner Brust. Und dabei klatschte, lachte und jubelte das Publikum.“ Jill Robinson vom International Fund for Animal Welfare erklärte, sie sei angewidert von diesem Schauspiel. Die Organisatoren hätten die Botschaft von der Grausamkeit gegen Tiere in der Welt weitergetragen, sagte sie.
Nach portugiesischem Brauch werden die Stiere nicht im Ring getötet, sondern nach dem Kampf, woraufhin sie an lokale Restaurants verkauft werden. Ein Gastwirt erklärte gegenüber der Lokalpresse, er werde daraus Rindsgulasch bereiten. Catherine Sampson
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