Geschenke für den guten Freund im Kreml

■ Bei seinem Moskaubesuch stärkt Kohl Präsident Jelzin den Rücken. Der genießt den Erfolg

Moskau (taz) – Männerfreundschaften halten einiges aus, wie sich in Moskau zeigt. Helmut Kohl möchte das Bild des Freundes Boris Jelzin sich nicht trüben lassen. Und er drückt eben schon mal beide Augen zu, um sich an den guten, alten Freund zu erinnern. Da mögen die ehemals engsten Berater des russischen Präsidenten reihenweise klagen, Jelzin sei nicht mehr der, der er zu Beginn der Reformen einmal war. Dem hält der Kanzler entgegen, wie gut erholt sein langjähriger Freund doch sei und mit welch „extremer Disziplin“ er jetzt seine Aufgaben in Angriff nehme. Dagegen läßt sich in der Tat nichts einwenden.

Mit eisernem Besen kehrt Jelzin alles aus dem Kreml, was an Reformen erinnert. Es ist Wahlkampf in Rußland und daher so gut wie alles erlaubt. Wenn Helmut Kohl den Eindruck hat, Boris Jelzin bleibt auch weiter einziger Garant der Reformen, dann kann Europa aufatmen. Der Kanzler verfügt über eine hinreichende Menschenkenntnis, und er versteht auch, am Ruder zu bleiben.

Beim Staatsbesuch in Moskau steht außer Belanglosigkeiten nichts auf der Tagesordnung. Drei Tage Erholung und Kulturprogramm. Nur der Saunatermin scheint bei dieser Visite auszufallen, da die Ärzte dem Präsidenten das Schwitzbad derzeit wohl noch untersagen. Gewöhnlich sind es diese Minuten der Intimität, die das deutsch-russische Verhältnis ein großes Stück voranbringen.

Kohl machte kein Hehl aus seiner Wahlkampfhilfe für Boris Jelzin, der sich sichtbar über die Unterstützung seines Amtskollegen freute. Allerdings dürfte die Assistenz von außen die Chancen der Wiederwahl im Juni nicht nachhaltig fördern. Die Außenpolitik spielt im Wahlkampf keine Rolle, darüber sind sich alle Kräfte in Moskau einig.

So hat der Kanzler auch nichts Sinnstiftendes von sich gegeben, sich indes offen und ehrlich zu seiner Freundschaftsmission bekannt. So etwas hinterläßt Eindruck in Rußland, wo man den Kanzler einfach mag – wegen seiner Statur und Gemütlichkeit —, einige nennen es Sentimentalität. Die Opposition in Moskau nahm durch die Bank keinen Anstoß am Desinteresse des deutschen Gastes, der sich außer mit den Vertretern der beiden Parlamentskammern in Moskau mit keinem anderen Politiker traf. Man hielt es mehr oder weniger für selbstverständlich, und die Kritik an Kohl zu Hause konnten die meisten gar nicht nachvollziehen.

Das deutsch-russische Verhältnis kennt weder Probleme noch nennenswerte Unstimmigkeiten. Beide Politiker wiederholten das mehrfach. Was kontrovers hätte sein können, die schleppenden Verhandlungen über den Austausch der Kriegsbeute, blieb ausgespart. Statt dessen gab Kohl Jelzin die Chance, sich mit allem Nachdruck noch einmal gegen die Nato-Osterweiterung auszusprechen und sich als entschlossener Sachwalter russischer Interessen darzustellen. Kohls Bereitschaft, sich dafür einzusetzen, daß dieses Thema für längere Zeit nicht behandelt wird, kann Jelzin als Erfolg werten.

Obwohl die Außenpolitik keine maßgebliche Rolle spielt, hat die nationalistische Opposition nun ein Dauerthema weniger. Jelzin konnte seine Genugtuung nicht überspielen. Nur ein wirklicher Freund macht solche Geschenke. Nun fragt sich, ob der Kanzler wenigstens die Zeit unter vier Augen genutzt hat, um Boris ins Gewissen zu reden. Kritischer Rat ist auch Teil einer haltbaren Freundschaft. Der Krieg in Tschetschenien tauchte in den öffentlichen Verlautbarungen kein einziges Mal auf. Im russischen Außenministerium wagte man sogar den Vergleich, die Beziehungen zwischen Moskau und Bonn glichen denen zwischen Bonn und Paris.

Anscheinend konnte Rußlands Präsident seinen Gast auch von der Notwendigkeit überzeugen, die finanzielle Hilfe an den Kreml nicht einzustellen. „Meine Position ist die, Rußland zu helfen, damit es sich selbst helfen kann, im Rahmen unser begrenzten Möglichkeiten“, sagte Kohl. Es sei ein Rückschlag für jene, die behaupteten, es mache keinen Sinn mehr, Rußland zu helfen. „Das ist eine dumme, idiotische Idee. Wenn wir nicht helfen, werden sich die Dinge zum Schlechteren wenden.“ Kohl bewies Realitätssinn, doch eigentlich erkundigt sich ein Kreditgeber zunächst nach der Verwendung der Gelder... Klaus-Helge Donath