Tankerunfall: 40.000 Tonnen Öl im Meer

„Sea Empress“ verliert ein Drittel ihrer Ladung vor der Küste von Wales. Riesenschiff riß sich in der Nacht zum Dienstag von den Schleppern los und lief zum vierten Mal auf die Felsen auf  ■ Von Hannes Koch

Berlin (taz) — Der manövrierunfähige Supertanker „Sea Empress“ ist gestern vor der Küste von Südwales zum vierten Mal auf Grund gelaufen. Das 274 Meter lange Schiff lag mit Schlagseite einen halben Kilometer vor dem Ölhafen der Stadt Milford Haven. Sein Boden und zehn Öltanks an der Steuerbordseite sind aufgerissen. Seit der Havarie des Tankers am vergangenen Donnerstag sollen nach Schätzungen der britischen Küstenwache maximal 40.000 Tonnen Rohöl ins Meer gelaufen sein, rund ein Drittel der Ladung von 130.000 Tonnen. Bei dem für die Umwelt bislang folgenschwersten Tankerunfall, der Havarie der „Exxon Valdez“ vor Alaska, waren 1989 etwa 42.000 Tonnen Öl ausgeströmt.

Für den einzigen britischen Küsten-Nationalpark und seine reichhaltige Tierwelt herrscht weiterhin die Gefahr einer Ölpest. Bergungsmannschaften versuchten gestern, das Auseinanderbrechen des Schiffes zu verhindern, konnten es aber nicht unter Kontrolle bringen. Bei einer Sturmflut hatte sich der Riese in der Nacht zum Dienstag von den Tauen, die ihn mit vier Schleppern verbanden, losgerissen und lief wieder auf die Felsen an der Küste auf. „Wir müssen auf die nächste Flut warten“, sagte ein Sprecher des norwegischen Firma Sculd, die die „Sea Empress“ gegen Ölunfälle versichert. Bei Hochwasser solle der Tanker aufs Meer hinausgezogen und dort mit Ankern stabilisiert werden. Dann erst könne man das Rohöl in kleinere Schiffe umpumpen. Die sichtbaren Schäden für Natur und Menschen halten sich bisher in Grenzen. Nach Angaben von Greenpeace und britischen Umweltschützern seien zwei Strände stark verschmutzt. Der Sand werde teilweise fortgeschafft. An einem weiteren Küstenabschnitt seien geringe Mengen Öl angespült worden. Eine Kolonie von 3.000 seltenen Seesternen habe der Ölfilm vernichtet. 50 mit Öl verschmierte Seevögel trieben an die Küste. Einige von ihnen konnten von dem todbringenden Mantel befreit werden.

Für die rund 280 in der Gegend um Milford Haven lebenden Vogelarten herrsche zur Zeit keine große Gefahr, berichtete Greenpeace-Mitarbeiter Peter Pueschel. Der Ölteppich treibe aufs offene Meer hinaus. Für den Fall, daß sich die Windrichtung ändert, rechnet Pueschel jedoch mit katastrophalen Folgen für die Vogel- und Fischpopulation an der Küste.

Bereits vor vier Monaten war vor dem am meisten genutzten britischen Ölhafen von Milford Haven ein Tanker auf Grund gelaufen. Rohöl strömte damals jedoch nicht in die See, weil die Seitenwände des Schiffes den Unfall heil überstanden. Jener Tanker verfügte allerdings über doppelte Bordwände, während die jetzt betroffene „Sea Empress“ nur mit einer einfachen Metallhaut ausgestattet ist.

Greenpeace sieht in dem geringen Sicherheitsstandard eine wesentliche Ursache für die schweren Schäden am Schiff und die mögliche Ölpest. 1993 legte die „International Maritime Organisation“, ein Ableger der Vereinten Nationen, fest, daß Supertanker von der Größe der „Sea Empress“ mit zwei Bordwänden gebaut werden müssen. Nach Angaben der Versicherungsfirma Sculd ist das Unfallschiff jedoch kurz vor Erlaß dieser Regelung vom Stapel gelaufen. Wegen der Übergangsfristen für alte Modelle braucht es jetzt nicht aus dem Verkehr gezogen zu werden, sondern kann weiter Öl transportieren. Als weiteren Grund für die Havarie in der schwierigen Hafeneinfahrt von Milford Haven nennt Greenpeace die Tatsache, daß kein Schlepper das behäbige Schiff begleitete und das Abtreiben verhinderte.