„Man muß so etwas offenlegen“

■ Peter Eigen, Vorsitzender von „Transparancy International“, zum Freiflug des Ministerpräsidenten Gerhard Schröder

„Transparancy International“ ist eine Vereinigung von Managern, die sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben haben. Die taz sprach mit dem Vorsitzenden über den umstrittenen „Freiflug“ Schröders zum Wiener Opernball

taz: Der niedersächsische Ministerpräsident Schröder und seine Frau werden vom Vorstandsvorsitzenden des VW-Konzerns, Ferdinand Piäch, zum Opernball nach Wien eingeladen, Freiflug inklusive. Ist das ein Wochenendvergnügen zweier Freunde oder bereits eine verwerfliche Handlung?

Peter Eigen: Der Name unserer Organisation „Transparancy International“ ist Programm. Wir finden es sehr wichtig, daß solche Vorkommnisse, wie das von Ihnen beschriebene, transparent sind. In vielen ähnlichen Situationen in anderen Ländern ist es so, daß man zwar nicht verbietet, daß Amtsträger solche Einladungen annehmen, weil es ja durchaus wichtig sein kann für eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft. Es ist in solchen Fällen allerdings zu empfehlen, daß es offen dargelegt wird. Das ist in vielen Teilen der Welt auch vorgeschrieben. Wenn wir früher in der Weltbank ein Geschenk über zehn Dollar erhalten haben, mußten wir das offenlegen, mußten es bei einem möglichen Interessenkonflikt grundsätzlich abgeben und konnten den Gegenstand gegebenenfalls zurückkaufen.

Gilt für einen Landesherrn also das gleiche wie für einen Landesbeamten? Dem ist es ja verboten, Zuwendungen anzunehmen.

Das ist auch richtig so. Auch die meisten Firmen, ich nehme an, Volkswagen hat ähnliche Regelungen, verbieten ihren Entscheidungsträgern, Geschenke anzunehmen – es sei denn, sie sind üblich im kulturellen Kontext und werden offengelegt.

Gehen die Unternehmen da miteinander strikter um als mit Politikern?

Grundsätzlich haben wir festgestellt, daß alle Unternehmen in der Welt ungeheuer empfindlich sind, wenn ihre eigenen Entscheidungsträger Vorteile empfangen, insbesondere wenn sie diese geheim empfangen. Jede Firma wird alles tun, um die passive Bestechung der eigenen Belegschaft zu vermeiden. Ich bin nicht sicher, ob ein Volkswagen-Manager das Geschenk von Opernball-Karten zum Preis von 5.000 Mark von einem Geschäftspartner annehmen darf. Es gibt da einen Doppelstandard. Firmen meinen, ihre Manager dürfen anderen einen Vorteil gewähren, aber selbst keine empfangen. Das ist besonders der Fall bei der internationalen Akquisition von Aufträgen. Die wenigsten deutschen Manager sehen ein Problem darin, Entscheidungsträger in Afrika, Asien oder Südamerika aktiv zu bestechen, während sie sehr empfindlich sind, wenn einer ihrer eigenen Leute einen Vorteil annimmt.

Herr Schröder und Herr Piäch würden sagen, das war ein privater Ausflug, der mit dem Unternehmen VW nichts zu tun hatte.

Ich will auf den konkreten Einzelfall nicht weiter eingehen, da ich ihn nur aus der Presse kenne. Generell gilt jedoch, daß man so etwas offenlegen muß. Vor allem ein Politiker muß so etwas offenlegen. Dann können die Wähler entscheiden, ob sie das akzeptabel finden. Der BDI hat zum Beispiel im letzten Oktober eine entsprechende Empfehlung an seine Mitglieder herausgegeben, um die aktive und passive Bestechung zu unterbinden. In England muß ein Politiker ein Geschenk in einem entsprechenden Register angeben, in den USA ist es strikt verboten, solche Geschenke anzunehmen.

Sind in Deutschland die Grauzonen größer?

Generell sind die Regeln in Deutschland weniger rigide, weil man davon ausgeht, daß die Deutschen nicht besonders korrupt sind. Eine Gesellschaft, die weniger Vertrauen in ihre Eliten hat, stellt schärfere Regeln auf.

Ist dieses Vertrauen in die deutschen Eliten noch gerechtfertigt?

In den letzten zwei Jahren hat es in Deutschland ein gewisses Erwachen gegeben. Immer mehr verantwortungsbewußte Manager nehmen Abstand von der gängigen Rechtfertigung der Korruption im Ausland, die ja hierzulande noch immer steuerabzugsfähig ist.

Wer für eine Zuwendung eine Dienstleistung vornimmt oder zusagt, dem droht ein Strafverfahren wegen Vorteilsnahme. Läßt sich das bei Spitzenpolitikern überhaupt anwenden?

Die Anwendung strafrechtlicher Tatbestände auf Politiker, insbesondere Parlamentarier, ist in Deutschland sehr unterentwickelt. Um die Gesetzeslage zu verbessern, hat die Berliner Justizsenatorin Peschel-Gutzeit eine Bundesrats-Initiative gestartet. Wir unterstützen das sehr. Interview: Dieter Rulff