Der glückliche Mut der Naiven

■ George Taboris Mutter als Filmheldin von Mutters Courage

Sie trägt ihr gutes Schwarzes und den guten schwarzen Hut mit den Wachsblumen und ist auf dem Weg zu ihrer Schwester. Ihr Name ist Elsa, und aus dem geplanten Kartenspiel wird vorerst nichts mehr: zwei ausgesucht höfliche ältere Herren sprechen sie auf der Straße an, als sei es ihnen peinlich, und müssen sie mit sich bitten. Vom Budapester Westbahnhof aus geht es in Richtung Grenze. Von dort soll es nach Auschwitz weiter gehen.

Wie es dazu kam, daß Elsa Tabori als einzige der an diesem Tag abtransportierten 4000 ungarischen Juden nicht nach Auschwitz kam, sondern noch am Abend desselben Tages wieder im Kreis der Familie saß, erzählt Michael Verhoeven in dieser meisterhaft-verschmitzten Parabel von den Unwägsamkeiten, die selbst in schlimmsten Zeiten manchmal das Schicksal wenden können. Mutters Courage heißt sein zehnter Kinofilm, und ihm ist die Umsetzung von Taboris ganz eigener Mischung aus Schmerz und Scherz, aus unbekümmertem Witz auch angesichts des Grauens, wunderbar gelungen. Hier ist der Holocaust gebrochen durch die Wahrnehmung Elsas wie durch die Beschreibung, die ihr Sohn George 1979 in seinem gleichnamigen Theaterstück davon machte.

Die englische Theaterschauspielerin Pauline Collins verkörpert perfekt die unbewußte Mischung aus Naivität und leichter Dreistigkeit. Und in Tabori selbst hat der Film den einzigen adäquaten Darsteller des „Erzählers“. Seine Präsenz berührt alle Szenen dieses Films wie mit einer Hoffnung, die fast die Qualität einer Farbe hat.

Thomas Plaichinger

Streits