Der wahre Feind, der wahre Krieg

■ Oliver Stone führt mit Nixon seine persönliche amerikanische Geschichte weiter

„Wir haben nicht gegen den Feind gekämpft, wir haben gegen uns selbst gekämpft. Und der Feind war in uns“, lautete das Fazit von Oliver Stones Vietnamfilm Platoon. In Stones aktuellem Bewältigungs-Epos Nixon darf nun Mao Tse-Tung erklären: „Der wahre Krieg findet in uns statt.“

Hier wird eine Geschichte weitergeschrieben, und über „Nixon“ zu sprechen, erzwingt geradezu die Beschäftigung mit anderen Oliver- Stone-Filmen: Seine dreistündige Abarbeitung an der Figur des Watergate-Skandal-Präsidenten Richard Nixon wirkt, mit ihren Zitaten und Parallelen, fast wie eine angereicherte Werkschau von Stones filmischer Vergangenheit. Wie schon in JFK rasen wir mit ständigen Format-Wechseln, mal in Farbe, mal in Schwarzweiß durch Stones Thesen über Wirken und Scheitern des US-Präsidenten. Nur steht jetzt ein Mensch als psychologischer Fall im Mittelpunkt: Richard Nixon und seine schwere Kindheit, der Tod seiner Brüder und die ewige Konkurrenz zum Kennedy-Clan.

In den gedankensprungartigen Zwischenschnitten a la JFK oder Natural Born Killers sollen wir diesmal die zwei Seelen in der Brust des ungeliebten Präsidenten sehen – seine unerfüllte Sehnsucht nach Liebe und seinen Verfall an die dunkle Seite der Macht. Diese Ambivalenz ist bei Stone immer schon Sinnbild der amerikanischen Nation. Aber hier spiegelt sich in der Zerrissenheit Nixons auch Stone selbst als Reizfigur wider. Immer wieder fängt die Kamera den einsamen Nixon ein, seine Angst bräuchte er nicht mehr zu verbalisieren; jede Szene handelt von ihr: „Warum werden sie mich nie lieben, warum hassen sie mich?“

In seinem Amtszimmer lauscht Nixon betrunken auf den berühmten Watergate-Tonbändern den eigenen Gesprächen, dem Beweis seiner kriminellen Machenschaften. Die Kamera zeigt die Mechanik des Tonbands, Zahnräder und Spulen, und wir wissen: Genauso will Stone in seiner Sprache das Innere des politischen Systems, das Herz und die Krankheiten der amerikanischen Regierung aufdecken.

Oliver Stone baut sein Weltbild weiter aus – Amerika krankt, „die Geschichte ist das Symptom der Krankheit“ und er selbst hat die Diagnose zu stellen. Einmal mehr wird da neben psychologisierenden Entschuldigungen der Mann als Kämpfer heroisiert, nur muß er für das Richtige streiten. Wie selbstverständlich kehrt auch die archaische Metapher eines Körpers wieder, der die USA symbolisch vertritt: „Ein Geschwür hat die amerikanische Präsidentschaft befallen“, heißt es in Nixon, „und es wächst“.

Jan Distelmeyer

Hansa Filmstudios, Passage