„Und es brodelt“

■ Bauarbeiter und Bürgermeister klagen über Lohndumping

Über einen roten Schal verfügt Henning Voscherau und über das Bedürfnis, sich vor Ort und entsprechend medienwirksam mit einigen Problemen der Hansestadt zu befassen. Gestern traf sich der Bürgermeister dieserhalb auf einer Baustelle mit Betriebsräten, um über ein Problem zu sprechen, das nicht erst seit gestern existiert.

Mit Lohndumping – dem kostengünstigen Einsatz von Werkvertragsarbeitnehmern aus dem Ausland – und entsprechend mehr Stammarbeitern in Kurzarbeit oder in Arbeitslosigkeit habe die hanseatische Baubranche bereits vor sechs Jahren begonnen, sagte ein Betriebsrat – in einigen Bereichen schon früher. „Es brodelt“, weiß IG-Bau-Bezirkssekretär Ronald Schläfke, „auch wenn es nach außen nicht so deutlich wird.“

Ausländerfeindlichkeit sei die falsche Reaktion auf den Konflikt, meinte Voscherau, der unlängst „Arbeitsplatz-Patriotismus“ forderte. „Wir werden in eine Konkurrenz gedrängt, die wir gar nicht wollen“, bekräftigte ein Betriebsrat. Dennoch folgte beim gestrigen Treffen der Äußerung „Ich habe nichts gegen Ausländer“ manchesmal das berühmte „aber...“.

Führende Firmen in der Bauindustrie planen nach Kenntnis der IG Bau, in diesem Jahr bis zu einem Drittel des Personals zu entlassen. Stammarbeitnehmer werden über den „kalten Weg“ entlassen, meinte ein Betriebsrat. Sie säßen mit 75 Prozent ihrer Bezüge zu Hause, „während eine Handvoll auch bei diesem Wetter Überstunden kloppt“. Diese „Handvoll“ verdient, so die IG Bau, je nach Herkunftsland zwischen fünf und 15 Mark pro Stunde. Der Tarifstundenlohn liegt bei rund 24 Mark.

Ein Entsendegesetz, daß Mindestlöhne auch für ausländische Arbeitnehmer festschreiben soll, wurde unlängst vom Bund verabschiedet. Über die Höhe des Mindestlohns wird jedoch gestritten. Die Arbeitgeber fordern zudem eine Übergangsregelung, die nach Auffassung der Gewerkschaft die jetzigen Verhältnisse noch für mindestens zwei Jahre zementiert. Davon profitierten viele – außer den Arbeitern. Auch bei Bauaufträgen aus der „öffentlichen Hand“, klagte ein Betriebsrat, poche diese nicht unbedingt auf Tariftreue.

Stefanie Winter