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NachgefragtAusgehöhlte Region

■ Christian Hawel, Arbeitsamtsdirektor

„Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Arbeitsförder-ungsgesetzes“. Das ist einer der „Eckpunkte des Landes Bremen für eine Auffanglösung“ für den Vulkan, wie sie gestern von Henning Scherf in der Regierungserklärung skizziert worden sind. Wir fragten Christian Hawel, den Direktor des Bremer Arbeitsamtes, welche Möglichkeiten ihm zur Verfügung stehen, auf die Krise zu reagieren.

taz: Der Bürgermeister hat Sie heute in die Pflicht genommen. Welche Möglichkeiten hat ein Landesarbeitsamt?

Christian Hawel, Direktor des Arbeitsamtes: Beim Vergleich könnte ja theoretisch das ganze Haus mit voller Belegschaft weiterarbeiten. Aber Sie wissen genauso wie ich, wenn der Vergleich erfolgreich greifen soll, muß Personal abgebaut werden. Jetzt gibt es die Möglichkeit des Paragrafen 128, daß man vielleicht erstmal ältere Arbeitnehmer abbbaut. Stichwort: Frühverrentung.

Was hätten Sie damit zu tun?

Wenn der Betrieb die Leute entläßt und wir Arbeitslosengeld bezahlen, fordern wir vom Betrieb dieses gezahlte Arbeitslosengeld nicht zurück, was wir normalerweise würden. Wenn zum Beispiel wirtschaftliche Schwierigkeiten eintreten, dann können wir auf die Rückzahlung verzichten.

Die Übung haben Sie bei Klöckner praktiziert.

Bei allen Betrieben, die in Schwierigkeiten sind und Personal abbauen.

Das nächste: Der Betrieb im Vergleich könnte Kurzarbeit beantragen, und zwar „strukturelle Kurzarbeit“. Die ist aber begrenzt auf den 31.12.97. Bisher konnte man die Gelder bis zu 24 Monaten bezahlen.

Man könnte eine Qualifizierungsabteilung im Betrieb gründen. Die Leute, die sonst freigesetzt würden, könnten dort reingehen und sie könnten dort für andere Tätigkeiten desallgemeinen Arbeitsmarktes qualifiziert werden. Damit könnte man auch einen Teil der Arbeitnehmer – ich sags mal so – sanft überleiten und nicht brutal sofort in die Arbeitslosigkeit schicken.

Würde das Arbeitsamt den ganzen Lohn dieser Leute übernehmen?

Den ganzen nicht. Bezahlt wird wie nach dem Arbeitslosengeld. 67 Prozent bei Verheirateten zum Beispiel, den Rest muß der Betrieb übernehmen.

Das nächste Instrument wäre Fortbildung und Umschulung. Das Problem ist, und da mache ich auch keinen Hehl draus: Es ist ja schwierig, vor dem Hintergrund dieser ausgehöhlten Region, Prognosen anzustellen. Wohin wollen Sie denn da qualifizieren?

Das Problem haben Sie bei der „Strukturellen Kurzarbeit“ aber auch.

Ja, es wird unheimlich schwer. Wie soll einer zum Beispiel in die Ferne, der vielleicht ein Haus für die Alterssicherung gebaut hat? Es wird unwahrscheinlich schwierig, hier halbwegs vernünftige Prognosen zu stellen und Möglichkeiten zu suchen, zumal bei diesem riesigen Volumen. Es sind ja nicht zehn Leute, es sind ja hunderte, tau-sende. Und dann kommen ja noch die Zulieferer hinzu.

Die nächste Möglichkeit wäre, einige Leute machen sich selbständig. Ich habe die Schließung der AG Weser hautnah mitbekommen, damals als Abteilungsleiter. Da sind wir einige Male diesen Weg gegangen, zum Beispiel mit Beraterbüros. Denen kann man bis zu 26 Wochen Arbeitslosengeld weiterbezahlen. Diese Möglichkeit würde ich sehr präferieren, weil sicherlich einige Ideen haben, womit sie mit ihren Fähigkeiten auf den Markt gehen können.

Das letzte Beispiel wäre ABM. Aber dafür müßten die Leute ein halbes Jahr arbeitslos sein.

Und soweit sind wir noch nicht. Freitag haben Sie einen Termin mit der Spitze des Arbeitsressorts.

Ja, da müssen wir mal sehen. Sie müssen wissen: Die Senatoren sind mit Informationen gut gefüttert, wir müssen die Informationen zusammenklauben. Und alle fragen nur: und was macht Ihr denn eigentlich?

Fragen: Jochen Grabler

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