: Etatlücke gefährdet sozialen Frieden
■ Rechnungshofpräsident ist froh "über seriöse Zahlen", grüne Fraktionssprecherin bekommt "Magenkrämpfe" und der CDU-Haushaltssprecher weiß nicht, wie die Milliardenlöcher zu stopfen sind
Der Kassensturz der Finanzsenatorin hat zwiespältige Reaktionen beim politischen Personal der Stadt hervorgerufen. Denn 1996 fehlen im Berliner Haushalt 5,3 Milliarden Mark. Das ist eine knappe Milliarde mehr als bislang angenommen. „Die Zahlen machen einen seriösen Eindruck“, lobte der Präsident des Landesrechnungshofes, Horst Grysczyk, die neue Offenheit im Finanzressort. Die Haushaltssituation der Stadt sei jedoch „unglaublich“.
Berlin stehe inzwischen schlechter da als Bremen und das Saarland, so Grysczyk. Er könne sich bei dieser Dimension der Deckungslücken nicht vorstellen „daß der soziale Friede in der Stadt hält“. Der oberste Rechnungsprüfer Berlins bezog das vor allem auf den elfstelligen Fehlbetrag, der im Jahr 1997 gestopft werden muß. Auf 10,4 Milliarden Mark prognostizierte Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) das Leck im 97er Etat.
Der Kassensturz der Finanzsenatorin hat die Einschätzung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die „bedrückende Finanzsituation“ bestätigt, teilte deren Haushaltsexperte Arnold Krause mit. Krauses Fraktionssprecherin Sibyll Klotz fürchtet sogar „Magenkrämpfe“ bei dieser Größenordnung der Haushaltslücken. Die Bündnisgrünen forderten den Senat auf, noch vor der Fusionsabstimmung im Mai dieses Jahres einen seriösen Finanzplan vorzulegen. Die darin enthaltenen Sparvorschläge dürften „den sozialen Frieden in der Stadt“ nicht bedrohen.
Auch Kurt Lange, Chef der mächtigen ÖTV, wundert sich nicht über den Fehlbetrag von über 5 Milliarden Mark im Berlinbudget für 96. Die Gewerkschaften seien zu Gesprächen bereit, sagte Lange zu dem Dialogangebot, das die Finanzsenatorin gestern an die Adresse der Gewerkschaften gerichtet hatte. „Was aber nicht in Frage kommt“, ergänzte Lange, „sind Arbeitszeitverkürzungen mit Lohnverzicht, die zur Konsolidierung des Etats mißbraucht werden“. Der Berliner ÖTV-Vorsitzende bot arbeitsplatzwirksame Maßnahmen an, wie Teilzeitmodelle für Verwaltungsjobs, zu denen auch der gleitende Ein- und Ausstieg im Berufsleben zählt.
Ratlosigkeit dagegen herrscht bei der Regierungspartei CDU. Der haushaltspolitische Sprecher Volker Liepelt nahm zwar den ehemaligen Finanzsenator in Schutz. Sein Parteikollege Elmar Pieroth habe die Steuerausfälle nicht vorhersehen können. Aber Liepelt gestand auch ein, daß vor allem das 97er Loch von zehn Milliarden Mark „eine ganz schwere Kiste ist“. Er könne noch gar nicht sagen, wie das überhaupt zu decken sei. Der Personalbereich sei bereits „ausgeknautscht“.
An der für kommende Woche angesetzten Koalitionsrunde zum Haushalt zwischen Sozial- und Christdemokraten nimmt niemand aus Bonn teil. Wie Liepelt hatte es auch Finanzsenatorin Fugmann-Heesing abgelehnt, auf Finanzspritzen vom Bund zu hoffen. cif
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