Theater für Marktplätze und Fußballfelder

■ Die nicaraguanische Gruppe Nixtayolero spielt im Haus der Kulturen der Welt

Als „Nicaraguas beste Theatergruppe“ wird Nixtayolero im Programmheft zu „Vuelta al códice“ („Zurück zum Ursprung“) angekündigt. Das mag hochtrabend klingen, wenn man sich die Theaterszene des mittelamerikanischen Landes ähnlich vielfältig vorstellt wie die hiesige. Tatsächlich aber gibt es in Nicaragua kaum freie Gruppen – und wenige, die auf eine so beständige und produktive Arbeit zurückblicken können wie Nixtayolero.

Seit der Gründung im Oktober 1979 hat die Truppe aus Matagualpa 32 Stücke inszeniert, an zahlreichen Festivals im Ausland teilgenommen, verschiedene Preise eingeheimst und bis 1990 in Zusammenarbeit mit dem sandinistischen Kulturministerium Laiengruppen ausgebildet.

„Wir sind mit der Revolution entstanden“, sagt Regisseur Valentin Castillo, „und darauf sind wir stolz.“ Die starke Verbindung zu den „kleinen Leuten“ scheint die offizielle nicaraguanische Kulturpolitik heute nicht mehr zu kümmern. Nixtayolero hält dennoch daran fest – und dies nicht nur, was den politischen Anspruch angeht, sondern auch in der Entwicklung einer eigenständigen Ästhetik. Mit der sogenannten Hochkultur, wie sie in Managuas einzigem festen, noch von Somoza errichteten Theaterbau, dem „Teatro Rubén Dario“ praktiziert wird, will man nichts zu tun haben. Volkstümliche Elemente jenseits erstarrter Folklore fließen in die Stücke ein, die auf der Straße, auf Märkten oder Fußballfeldern dargeboten werden.

„Die Leute gehen nicht ins Theater“, sagt der Schauspieler Efrén Pineda, „also gehen wir zu den Leuten.“ Musiziert wird mit typischen Instrumenten wie der marimba, getanzt werden Variationen populärer Tänze wie der sonpopo, und die Kostüme leiten sich aus den Verkleidungen ab, in die sich die Nicaraguaner zu ihren zahlreichen Festen hüllen. Von einem „Theater des Alltags“ spricht Castillo, und Pineda ergänzt: „Wir wollen die Probleme zeigen, die die Leute tagtäglich erleben, und dadurch wollen wir zum Nachdenken anregen.“

Mit „Vuelta al códice“ greift Nixtayolero eine sehr aktuelle Problematik auf: die ungeklärte Eigentumsfrage. Kleinbauer vs. Großgrundbesitzer heißt der Konflikt, um den das Stück kreist. Man will das Dilemma der campesinos zeigen, die zwar durch die Agrarreform Land, nach 1990 aber keine Kredite mehr bekamen. Ob sich Nixtayoleros „Theater des Alltags“ hiesigen Sehgewohnheiten öffnet, läßt sich heute und morgen im Haus der Kulturen der Welt überprüfen. Cristina Nord

„Vuelta al códice“ (in spanischer Sprache), heute und morgen, 20 Uhr, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten