Zuträger und Helden

■ Regularitäten öffentlich-rechtlichen Intrigierens. Neues von Politkommissaren und Opfern beim Magdeburger MDR

Wer die Sprecherin des Mitteldeutschen Rundfunks nach den Aufgaben des Osteuropa-Beauftragten des Senders fragt, bekommt ein leises Aufstöhnen zu hören. Die Adresse seines Dienstsitzes in Berlin? „Datenschutz“. Und wofür dient dieser „Chefposten“? „Die Sendervertreter aus Osteuropa kommen – wenn sie es sich denn finanziell gerade leisten können – mit großen Hoffnungen auf uns zu.“ Für sie hat der MDR jetzt eine mit schätzungsweise 20.000 Mark dotierte Stelle. Was der Gebührenzahler davon hat? „Denken Sie nur an die vielen Kinderfilme.“

Vielleicht liegt das Stöhnen aus Leipzig daran, daß das gute Gehalt für Ralf Reck bestimmt ist, der zuvor die Bezüge eines MDR- Funkhauschefs in Magdeburg bekam. Und von Ralf Reck ist in der Presse immer soviel in Verbindung mit „Postenschacher“ (Süddeutsche Zeitung) und „Parteijournalismus“ (Magdeburger Volksstimme) die Rede. Die Qualifikationen Recks im Osten laut MDR-Sprecherin: Erstens, er ist ein „guter Fernsehmann“ und zweitens: „Ich glaub', daß er da auch irgendwie noch abstammungsmäßig was hat.“

Zur Zeit kann sich der Beauftragte allerdings um Kinderfilme und barmende Nachbarsender im Osten nur eingeschränkt kümmern. Zur Zeit muß er noch Journalisten wegen übler Nachrede verklagen, die recherchiert haben, wie gut sich seine Funkhaustätigkeit mit den Geschäften der TV- Produktion seiner Freundin vertrug. Deren Firmenadresse laut Handelsregister mit der der MDR- Studios identisch war.

Ein Vorkämpfer gegen den Parteijournalismus

Doch Ralf Reck ist nicht Erfinder, sondern nur Figur des Spiels, das hier behandelt werden soll. Genausogut könnte man die Geschichte von Bernd Träger erzählen, der zur Zeit als Held des unabhängigen Journalismus durch die Redaktionen tingelt. Träger war Fernsehchef unter Reck – bis der ihn vor zwei Jahren in die Wüste schickte. Das Programm, das die beiden produzierten, mochte allerdings so recht keiner sehen.

Möglicherweise lag das daran, daß soviel der gutbezahlten Zeit dabei draufging, gegeneinander zu intrigieren. So kommt es, daß man heute der informationshungrigen Öffentlichkeit vor allem mit spannenden Antworten auf Fragen wie diese dienen kann: Hatte der eine am 13.10.1992 einen großen Pickel auf der Stirn? Wie ist es um die Intimvorlieben des anderen bestellt? Sieht man zuweilen Mundschaum in der Intendanz?

Aber wir wollten ja von Bernd Träger berichten. Träger hat den öffentlich-rechtlichen Journalismus von der Pike auf gelernt. Als er sich einst in einem Funkhaus vorstellte, in einer auf ihre Freiheit stolzen Halbstadt, hat man ihn, so erzählt er, gefragt: „Hast du denn auch eine Überzeugung?“ Das fand er in Ordnung, er hatte ja eine – zumindest ein FDP-Parteibuch. Und einmal sandte ihm ein Senator mal warnend eine gelbe Karte (obwohl man ihn ohnehin im SFB unter dem Namen „Zu-Träger“ kannte). Da hat er schnell eine friedvoll-weiße zurückgeschickt, sagt er.

Später traf es sich, daß die Mauer fiel und die CDU in den Ostprovinzen ein Versorgungswerk für linientreue Journalisten zu etablieren begann. In dem ein paar Brosamen auch für ihren Juniorpartner in Sachsen-Anhalt abfallen sollten. So kam es, daß Träger (FDP) und Reck (CDU) aufeinandertrafen, die sich im übrigen jeweils für einen großartigen Journalisten und den alleinigen Architekten des formidablen Magdeburger Funkhauses halten. Allmählich drängte Reck seinen Fernsehchef ins Abseits, so daß dessen gelb- blaue Partei ganz unzufrieden wurde. Heute, wo er sich, diesmal unterstützt von SPD-MdB Thomas Krüger, vom Neuen Deutschland bis zur Frankfurter Rundschau als Kämpfer wider den Parteibuchjournalismus präsentieren läßt, zeigt er ein Gesprächsprotokoll vor, das er im Juli 1992 angefertigt hat. Parteifreund Haase, Fraktionsboß der FDP im Landtag, warf ihm vor, er lasse sich von Reck „unterbuttern“. Folge: „Die Politik der F.D.P. werde nicht in ausreichendem Maße dargestellt.“ Das gehe nicht, denn er selber, Haase, habe Träger ja „schließlich gemacht“. Im übrigen könne man sich in der Partei auch eine bestimmte andere Parteifreundin als Fernsehchefin vorstellen. Schon im Jahr zuvor hatte ihm der Sprecher des FDP-Umweltministers eine Liste mit Journalistennamen gereicht, die Träger in leitender Position beim MDR beschäftigen solle.

Mobbing in der Führungsetage

Auch die CDU hat in dieser Zeit für kurze Wege zwischen Funkhaus und Partei gesorgt. Der stellvertretende Verwaltungsleiter war vorher CDU-Sprecher und heißt im Haus „der Politkommissar“. Und im Vorzimmer von Ralf Reck sitzt ausgerechnet die Gattin des Innenministersprechers. Manchmal, so ist zu hören, war selbst der CDU die Hofberichterstattung zu plump.

Bei einem Gerichtsverfahren, das der abgesägte Träger vor einigen Wochen gegen den Sender anstrengte, kamen so en passant noch ein paar Modalitäten des öffentlich-rechtlichen Intrigierens und Kündigens ans Tageslicht. Vor Trägers Abgang hatten Recks Zuarbeiter auf den 25 engbedruckten Seiten einer Verwaltungsratsvorlage angebliche Verfehlungen Trägers zusammengetragen. Fazit in etwa: stinkfauler Chef, der ständig blau macht und unfähig ist zum dorthinaus. Dafür bekam er einen wohldotierten Aufhebungsvertrag und ein Zeugnis voller Kündigungslyrik: „Schnell ... solide und zuverlässig“. Träger heute: „So war ich auch“.

Mittlerweile hat die Farbe der Regierung auf rot-grün gewechselt, und im Magdeburger Funkhaus pfeifen es die Spatzen von den Dächern, daß alle Strippen gezogen werden, damit ein SPDler der nächste Fernsehdirektor wird. Lutz Meier