■ SURFBRETT
: Die Cyber-Yuppies machen Staat

In den USA dürften inzwischen zehn Millionen Menschen ans Internet angeschlossen sein. Jetzt bereiten sich Anbieter von Kabelfernsehen darauf vor, ihre Kundschaft nicht nur mit Serien zu versorgen, sondern auch gleich auf die Reise durch den Cyberspace zu schicken. Dabei konkurrieren sie mit den Telefongesellschaften, die ebenfalls eine Brücke zum Internet bauen. Firmen, die sich frühzeitig darauf spezialisiert hatten, sahnen schon lange ab und verzeichnen Wachstumsraten, daß ihnen selbst schwindelig wird.

Die neuen Cyber-Yuppies sind erfinderisch, wenn es darum geht, ganze Berufszweige ins Leben zu rufen. Sie werden Web-Designer und Netzberater. Ihre Firmen sprießen wie Pilze aus dem Boden. Jonathan Robbins „Counterpoint Publishing“ etwa. Robbins ist eigentlich nur Verleger. Doch er trägt seine Publikationen nie zur Druckerei. Statt dessen veröffentlicht er sie im Internet. Wer sie unter http://www.counterpoint.com nachlesen will, muß zuerst ein Paßwort kaufen.

Angefangen hat Robbins damit, Gesetzestexte auf CD-ROM zu brennen. Seit 1993 kann man sich bei Counterpoint Publishing auch online über die Rechtslage erkundigen. Für Robbins ist das „die Zukunft des Internet“. Denn die Werbetafeln von Banken und Bierbrauern würden bald niemanden mehr interessieren. „Auf dem Geschäftssektor läßt sich schneller Geld machen als im Konsumentenmarkt“, hat er gelernt. Leider lesen sich seine gebührenpflichtigen Web-Seiten eher trocken. Die Firma verlegt fleißig Verordnungen und Regelungen der US- amerikanischen Umweltbehörde sowie der Behörde zur Überwachung von Arznei und Nahrungsmitteln (Food and Drug Administration).

Robbins' Kunden sind jedoch gar nicht auf spektakuläre Grafik erpicht. Counterpoint Publishing hat Verträge mit Universitäten und Pharmafirmen wie Merck abgeschlossen. Sie geht damit nicht das geringste Risiko ein. Robbins kassiert für eine Dienstleistung, die der Staat bisher kostenlos, aber ein bißchen langsam zur Verfügung gestellt hat: die Veröffentlichung von Gesetzen und Richtlinien.

Der Regelwirrwar der beiden Staatsbehörden erweist sich als wahre Goldgrube. Einmal im Monat aktualisieren Robbins und seine Leute den Paragraphenwald in den Dokumenten. Die Behörden selbst bringen ihre gedruckten Fassungen nur einmal im Jahr auf den neusten Stand. Bis sie dann an einer Universität ankommen, sind sie möglicherweise schon wieder veraltet. Ingo Malcher (ingo@slipt.net)