Erneuter Streit ums Orient-Haus

Außenminister Kinkel sagt Israel-Besuch ab. Israels Polizeiminister will ausländische Staatsbesucher mit Gewalt am Betreten der PLO-Vertretung in Ostjerusalem hindern  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Bundesaußenminister Klaus Kinkel hat gestern seinen für den 3. März geplanten Besuch in Israel abgesagt, im Einvernehmen mit der israelischen Regierung. Kinkel wollte damit offensichtlich vermeiden, mit einem Besuch im Orient- Haus, der PLO-Vertretung in Jerusalem, die israelische Regierung in Verlegenheit zu bringen.

Nachdem die israelischen Oppositionsparteien die Jerusalem- Frage zum zentralen Wahlkampfthema gemacht haben, fühlt sich die Regierung unter Druck und will ihrerseits beweisen, daß sie in der Frage der Zukunft Jerusalems als der geeinten Hauptstadt Israels nicht weniger maximalistische Forderungen stellt als die rechten Oppositionsparteien.

Im Rahmen der Jerusalem- Kampagne fordert der Likud die Schließung des Orient-Hauses und anderer palästinensischer Institutionen in Ostjerusalem. Im israelischen Außenministerium hat man deshalb in Erwägung gezogen, die für die nahe Zukunft geplanten Jerusalem-Besuche ausländischer Staatsmänner und -frauen abzusagen oder zu verschieben. Damit soll vermieden werden, daß die allgemein üblichen Visiten bei den Palästinensern im Orient-Haus den Konflikt mit der israelischen Opposition im Wahlkampf noch weiter eskalieren lassen.

Der Likud beschuldigt Peres, er beabsichtige, Jerusalem zu teilen und den Osten der Stadt den Palästinensern zu überlassen. Peres protestierte gegen solche „unsinnigen Unterstellungen und Lügen“, fühlte sich jedoch genötigt, den eigenen „Jerusalem-Patriotismus“ unter Beweis zu stellen. Der Minister für innere Sicherheit, Mosche Schahal, schlug deshalb vor, den Besuch fremder Staatsmänner und -frauen im Ostjerusalemer Orient- Haus, „einem potentiellen palästinensischen Außenamt“, notfalls mit Polizeigewalt zu verhindern. Der Likud verlangt die sofortige Schließung des Orient-Hauses und hat der Knesset einen diesbezüglichen Gesetzesvorschlag unterbreitet. Die Frage der Zukunft Jerusalems ist Gegenstand der Verhandlungen mit den Palästinensern, die im Mai beginnen sollen. Maßnahmen wie die Schließung des Orient-Hauses, das seit vielen Jahren als Sitz der Vertreter der palästinensischen Öffentlichkeit in Jerusalem gilt, sollen zusammen mit anderen einseitigen israelischen Schritten den Status quo in Jerusalem vorab zuungunsten der Palästinenser verändern.

Der Beauftragte der Palästinensischen Autonomiebehörde für Jerusalem, Feisal Husseini, appellierte gestern an die Politiker des Auslands, das Orient-Haus auch in Zukunft zu besuchen. Er stellte die gegenwärtigen israelischen Erklärungen über das Orient-Haus in den Rahmen der „innenpolitischen verbalen Übersteigerungen im Wahlkampf“.

Einem EU-Beschluß entsprechend besuchen europäische Außenminister das Orient-Haus bei jedem ihrer amtlichen Jerusalem- Aufenthalte. Der Likud argumentiert dagegen, daß die palästinensischen Selbstverwaltungsbehörden nach dem Osloer Abkommen ihren Sitz in Gaza haben und Groß- Jerusalem ausschließlich als israelisches Hoheitsgebiet und israelische Hauptstadt zu betrachten sei.