Klitzekleiner Kater bei den Freunden der Oper

■ Die Tanzliebhaber Biedenkopf und Schröder zeigen die verlangte Bußfertigkeit

Hannover/Berlin (taz) – Er war nicht allein. Außer Gerhard Schröder tanzte noch ein Ministerpräsident auf dem Wiener Opernball. Kurt Biedenkopf (CDU) ließ sich auf Kosten seiner Landesregierung nach Wien fliegen. Die Loge, von der aus er den Debütanten der gehobenen Wiener Kreise zuwinkte, kostete 24.300 Mark, bezahlt von der dortigen Wirtschaftskammer.

Wer denkt, der Ministerpräsident habe sich lediglich einem spektakulären Vergnügen hingegeben, irrt. Harte Arbeit will er verrichtet haben. „Der Opernball ist schließlich nicht nur Tanz, sondern es geht auch um Gespräche und sächsische Präsenz“, ließ Biedenkopf sich gestern von seinem Pressesprecher verteidigen.

Die ungemütlichen Auswirkungen des Ausflugs in die feine Welt bekam auch Gerhard Schröder (SPD) zu spüren. Der Ministerpräsident von Niedersachsen möge aus dem VW-Aufsichtsrat zurücktreten, forderte der Dachverband der kritischen AktionärInnen. Das Land hält 20 Prozent der VW-Aktien. Als VW-Aufsichtrat habe Schröder eine Kontrollfunktion und müsse deshalb Distanz zum VW-Vorstandvorsitzenden halten, sagte Verbandssprecher Paul Russmann. Er regte eine Prüfung an, ob Schröder durch seine zunächts kostenfrei geplante Opernballreise nicht den Tatbestand der Bestechlichkeit erfüllt habe. Schröder ließ über seine Staatskanzlei wissen, daß die Eintrittskarten zur Piäch-Loge ein persönliches Geschenk des befreundeten Ehepaars Piäch gewesen seien. Der Vorsitzende der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, Christian Wulff, forderte unterdessen eine förmliche Mißbilligung des Ministerpräsidenten durch den Landtag.

Wegen Biedenkopf kann die CDU die Sache aber nicht zu heftig kritisieren. Ein Regierungschef könne in eigener Regie entscheiden, wie er mit einem solchen Geschenk verfährt – eine juristische Pflicht zur Offenlegung bestehe nicht. Auch die niedersächsischen Grünen sehen weiterhin Klärungsbedarf nach Schröders Ausflug in die Welt des Geldadels. Es habe des öffentlichen Drucks bedurft, daß Schröder nun die Kosten des Fluges nach Wien selbst bezahle, erklärte der Grünen-Landtagsabgeordnete Pico Jordan. Da aber auch die Eintrittskarten für den Opernball von Ferdinand Piäch spendiert worden seien, habe man es in jedem Fall mit einer „Amigo- Affäre“ zu tun. In Geschäftsverhältnissen dürften keine Geschenke angeboten oder angenommen werden.

Gerhard Schröder läßt sich derweil die Vorteile, die ihm von Ferdinand Piäch zugeflossen, brav in Rechnung stellen. Nachdem der VW-Konzern dem Ehepaar Schröder schon eine Rechnung für den Wien-Flug angekündigt hatte, wird der Ministerpräsident nun auch die geschenkten Logenplätze in seiner nächsten Steuererklärung als „geldwerten Vorteil“ angeben. Dies kündigte gestern der Geschäftsführer der niedersächischen SPD-Landtagsfraktion in einem Brief an die Landtagsabgeordneten an. Bartling bezeichnete die Vorwürfe gegen Schröder als „abteuerlich konstruiert“, sah aber immerhin im Wiener Opernball ein gesellschaftliches Ereignis, das angesichts von Bürgerkriegen und Massenarbeitslosigkeit mit seinem plüschigen Pomp kaum noch in die Landschaft passe.

Bei der Erstattung der Flugkosten zeigt sich der finanziell stets klamme Schröder jetzt allerdings knauserig. Man erwarte nur eine Rechnung von VW in Höhe der Kosten von zwei Linienflügen Wien und zurück. Jürgen Voges