Italiens Hochfinanz auf Links-Trip

■ Mitte-rechts-Bündnis sucht noch nach illustren Kandidaten

Rom (taz) – Wer hätte das gedacht: Nicht rechts und rechtsaußen, wo man es noch vor wenigen Monaten im Sog der steigenden Wählergunst für Neofaschisten und „Forza Italia“ vermutet hatte, schlägt das Herz der Hochfinanz und Großindustrie Italiens. Es schlägt eher in der linken Mitte, „wo's, rein menschlich, auch hingehört“, wie ein Funktionär des Wirtschaftsverbandes Condindustria süffisant kommentierte.

Der ehemalige Notenbankchef Carlo Azeglio Ciampi, 1993 bereits Ministerpräsident, der frühere Vorsteher der größten Privatbank des Landes, Antonio Maccanico und der Exchef der größten Staatsholding IRI, Romano Prodi: Sie alle wollen sich den Wählern auf Mitte-links-Listen unter dem Bündnisnamen „die Olive“ für die Neuwahlen am 21. April diesen Jahres präsentieren. Auch der derzeit amtierende Ministerpräsident Lamberto Dini könnte noch dazustoßen. Er stammt aus der Hochfinanz und war vordem Generaldirektor der Banca d'Italia.

Geradezu mickrig sieht dagegen noch die Reihe von Kandidaten aus, mit denen der Rechts-Pool sich schmücken kann. Kaum einer der angegangenen Hoffnungsträger will bisher seinen Namen auf dem Mitte-rechts-Bündnis stehen haben, im Gegenteil: Eine Reihe von Wirtschaftsfachleuten hat bereits ein kategorisches Nein zu einer Neukandidatur angemeldet.

Den Grund für die etwas überraschende Flucht nach links sehen die meisten Beobachter in der unklaren Situation innerhalb der Rechten selbst. Berlusconi hatte Neuwahlen absolut vermeiden wollen, weil ihm Umfragen derzeit nur 15 Prozent geben; er hatte daher eine große Koalition mit den Linksdemokraten angesteuert. Doch Rechtsaußen Gianfranco Fini von der Nationalen Allianz (den ehemaligen Neofaschisten, 1994 bei 14 Prozent) hatte das Projekt gestoppt, weil er derzeit auf über 25 Prozent hofft. Aus Rache für Finis Boykott hat Berlusconi nun seinen fast beschlossenen Verzicht auf eine erneute Kandidatur zum Regierungschef zurückgenommen und besteht darauf, rechts unumschränkt die Nummer eins zu bleiben. Daß er damit die Position der Rechten schwächt, ist ihm klar: Doch ehe er den Polityoungster Fini an sich vorbeiziehen läßt, hofft er lieber auf gewisse Hilfen von Linksdemokratenchef Massimo D'Alema, mit dem er seit den Verhandlungen für eine große Koalition gute Beziehungen unterhält.

Tatsächlich gilt D'Alema inzwischen als bester Garant für industriefreundliche Politik. Und das ist nach Ansicht vieler Polit-Auguren wohl auch der wichtigste Grund, warum die Wirtschaftsführer Leute aus ihren Reihen so zahlreich in die Listen der linken Mitte delegieren.

Zerrieben werden könnten damit die wenigen Gruppen, die sich bislang aus den „Polen“ heraushalten, etwa die norditalienischen Ligen oder die Grünen. Ihre Hoffnung bleiben allenfalls Protestwähler – doch die sind, nach Ansicht von Wahlforschern, derzeit eher im Hickhack der Bündnisse wechselseitig ganz rechts und ganz links zu finden. Werner Raith