Singen für den Fiskus

■ Die Erhöhung der „Ausländersteuer“ droht auswärtige Künstler von deutschen Bühnen fernzuhalten

Treffen sollte es die Großverdiener: den Leimener und die Brühlerin, die ihre sauerverdienten Millionen in Monaco behüten, und den Kölner Fernsehstar, der in Luxemburg Steuerasyl sucht. Mit einer kräftigen Anhebung der „Ausländersteuer“ will der Staat künftig ein Viertel ihrer Einkünfte einbehalten. Seit 1. Januar müssen all jene Sportler, Künstler und Fernsehleute, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, aber ihr Geld in Deutschland machen, 25 Prozent ihrer gesamten Einnahmen (statt bisher 15 Prozent) beim deutschen Fiskus lassen. Getroffen aber hat es auch die Kleinen. Wenn die „Black Voices“ im KITO ihren A-Capella-Soul singen oder die Geheimtips des US-Noise-Underground auf dem Magazinboden des Schlachthofs auftreten – dann kommt das alle Beteiligten erheblich teurer als bisher. Wer die Zeche zahlen muß, darüber streiten die Veranstalter und Künstleragenturen noch. Klar ist, daß es auch das Publikum und die Künstler selbst treffen wird – und das Konzertangebot, das bald ärmer werden dürfte.

Ein feiner, kleiner Auftritt wie z.B. der des „Brasstrios“, am letzten Mittwoch im Schlachthof, wird demnächst erheblich schwerer durchzuführen sein. Denn die Jazz-bläser stammen aus Frankreich. Ein Viertel ihrer Gage soll folglich in deutschen Finanzkassen bleiben. Ein Faktor, den die Agentur draufschlagen muß, wenn sie das Trio dem Bremer Kulturzentrum anbietet. Aber auch der örtliche Veranstalter muß kalkulieren: „Wenn wir da keine Kompromißlinie mit der Agentur finden, dann platzt ein Konzert einfach“, sagt Jürgen Schmitz, der die „Roots Nights“ im Schlachthof organisiert.

Der Knackpunkt: Hohe Gagen rechnen sich nicht mehr bei Eintrittspreisen zwischen zwölf und 30 Mark, wie sie der Schlachthof als alternativer Kulturladen bieten will. Zumal niemand sicher sein kann, ob bei unbekannten Acts auch nur annähernd genug Bremer in den kleinen Saal finden, um die Kosten zu decken.

Das erhöhte Risiko gilt für eine ganze Reihe Bremer Veranstalter. Weit über die Hälfte aller Konzerte im KITO wird von ausländischen Künstlerinnen und Künstlern bestritten. Die souligen „Black Voices“, der Jazztrompeter Nat Adderly, die New Yorker Gitarristin Leni Stern: Auftritte wie diese kommen das rührige Kulturhaus künftig teurer zu stehen, fürchtet Geschäftsführer Klaus Hößelbarth. Er rechnet mit einem Kostenanstieg zwischen 10.000 und 20.000 Mark pro Jahr durch die Gesetzesänderung. „Man hat offensichtlich übersehen, daß man mit diesem Rasenmäherprinzip auch die kleinen Veranstalter trifft.“

Aber auch den größeren schwant Schlimmes. Selbst beim Bremer Riesen KPS sieht man kaum einen Weg, die Erhöhung zu kompensieren. Nicht auszuschließen, sagt Claudia Liebertz vom KPS-onzertbüro, „daß wir mittelfristig auch die Eintrittspreise erhöhen müssen“. Das hat natürlich seine Grenzen, fügt Geschäftsführer Ostendorf hinzu. „Auch der Künstler muß sich überlegen, ob er nicht selbst einen Beitrag leisten kann.“

Wobei wir wieder bei den Kleinen wären. Denn KPS-Acts wie U2 oder Bon Jovi, die das Weserstadion zu füllen vermögen, dürfte ein zusätzlicher Obulus weniger jucken als Künstler von geringerer Berühmtheit. Und wer als kleine US-Band vom Durchbruch in Europa träumt, der nimmt vielleicht auch noch die neue Last in Kauf, der unterschreibt und zahlt die deutschen Steuern. Und wenn nicht? Wenn die Gage oben bleibt? „Dann“, sagt Uwe Lohse von der Bremer Independant-Agentur IMP schweren Herzens, „müssen wir wohl auch mal Künstler ablehnen, wenn uns das Risiko zu groß erscheint.“

Den Vorwurf, die Falschen getroffen zu haben, weisen die Initiatoren der Steueranhebung dennoch zurück. Das Bundesfinanzministerium betrachtet das Ganze als Vereinfachung, mit der die Künstler den Belastungen anderer Berufsgruppen angepaßt würden. „Eine Pauschalisierung ist nun mal nicht individuell“, sagt BMF-Sprecher Jürgen Block; „es ist ganz normal, daß Leute darunter fallen, die benachteiligt werden.“

Doch vielleicht gilt das ja nicht nicht allzu lange. Denn in ein bis zwei Jahren könnte schon das neue EU-Recht greifen. Und das sieht eine Angleichung der Steuersätze vor. Die 25 Prozent Ausländersteuer dürfen sich die deutschen Finanzämter dann wieder vergessen: In Frankreich und der Schweiz sind zehn Prozent üblich, in Österreich dürfen ausländische Künstler bis zu einer festen Obergrenze steuerfrei singen. tw