Schule? Gähn. Move? Geil.

■ Neues Projekt: Ganzheitliche Unterstützung für SchulverweigerInnen

Die 15jährige Romana filmt alles, was sich bewegt. „Ich hab erst gestern gelernt, mit der Videokamera umzugehen“, sagt sie stolz. „Ist doch wichtig, das hier aufzunehmen, heute ist doch unsere Eröffnung.“ „Move“, ein neues Jugendprojekt in der tristen Gegend zwischen Mitte und Wedding, bietet jugendlichen SchulverweigerInnen, wie Romana eine ist, eine neue Perspektive. „Ich weiß jetzt schon“, sagt die sympathische kleine Punkerin mit den gelben Haaren, „ich will Tischlerin werden.“

Im Hinterhof der Strelitzer Straße 60 in Mitte kriegen vier männliche und vier weibliche SchulabbrecherInnen zwischen 14 bis 17 Jahren beigebracht, wie man mit einer Kamera umgeht, einer Hobelbank, einer Metallsäge, einem Grafikcomputer. In praktischen Projektarbeiten lernen Jugendliche, die mit unserem starren Schulsystem nicht klarkommen, ihre Fähigkeiten und Neigungen kennen. Mit neuem Selbstbewußtsein können sie dann entscheiden, ob sie die Schule beenden und eine Ausbildung aufnehmen wollen. „Ich hab's zweimal vergeblich mit der Schule probiert“, sagt Romana und dreht eine Zigarette. „Aber ich glaube, jetzt pack ich's. Ich will meinen Hauptschulabschluß nachholen.“

„Move“ sei etwas Besonderes, freut sich Peter Urban vom Projekteverbund „Zukunftsbau“, wegen seiner attraktiven Lernformen und wegen seines „ganzheitlichen Ansatzes“. Sieben der Jugendlichen waren obdachlos, von zu Hause abgehauen oder herausgeflogen, sie leben jetzt einem betreuten Jugendwohnprojekt von „Zukunftsbau“. Im Rahmen dieser 1985 gegründeten Einrichtung, die sich inzwischen zu einem Verbund diverser Jugend- und Frauenprojekte mit Hunderten von Arbeits- und Ausbildungsplätzen vergrößert hat, können junge Leute Wohnraum instand setzen und selbst bewohnen.

Auch die kleine Punkerin hat vorher „auf der Straße gelebt“ und fand es „verlockend“, mit ihrem Hund und ihrer Katze in der eigenen Bude zu wohnen. Wenn Heinz Bote mit seinem Doppelberuf Tischler und Lehrer ihnen demnächst die Geheimnisse der Hobelbank enthüllen wird, will sie sich „zunächst mal Regale und Sachen“ für ihre Wohnung zimmern. Bote, einer von fünf BetreuerInnen, macht die Sache ebenfalls Spaß: „Jeder Tag ist eine neue Herausforderung.“ Romana pufft ihrem Lehrer beim Vorbeigehen freundschaftlich auf die Schulter.

Heinz Bote hätte heute keine Tischlerwerkstatt zur Verfügung, wenn nicht ausgerechnet die deutsche Industrie eingesprungen wäre. Die „Wirtschafts-Initiativen für Deutschland“, abgekürzt „Wir“, stellten „Move“ als Anschubfinanzierung einen Scheck über 34.500 Mark aus. „Wir fördern Modellprojekte“, begründete der Wirtschaftsverbund sein Sponsoring. Prominentester Sprecher und Vorständler von „Wir“ ist übrigens Edzard Reuter.

Weitere Gelder für „Move“ kommen aus der Jugendverwaltung und dem Arbeitsamt. Peter Urban von „Zukunftsbau“ hofft trotz Haushaltskrise auf eine zukünftige „Regelfinanzierung“. „Man kann sich auch versparen“, warnt er. „Unsere Kosten sind viel geringer als die Knastkosten.“ Ute Scheub