Wand und Boden
: Rasante Bikinimädchen

■ Kunst in Berlin jetzt: Margarete Hahner, Tat-Ort, Michel Sauer

Margarete Hahner in der Galerie Zwinger weiß Maler- und Massenmedium, Tafelbild und TV-Monitor zu verbünden. „Gelb schlief und schlief, sein Gleichmut war nicht zu erschüttern ...“, so hebt eine Stimme aus dem Off zur Märchenstunde einer Malerei an, die trotzdem nichts von dem vermissen läßt, was Malen heute legitimiert. Weder das Konzept noch die Selbstthematisierung, noch das Zitat. Das hat mit Beflissenheit nichts, viel aber mit skurrilem Witz zu tun (nein, keiner Ironie), der reales Material und symbolischen Code strikt illusionistisch in Fahrt bringt.

Raumhoch hat die 1960 geborene Künstlerin ihre Bilder von Zügen, Picknicks, gesichtslosen Menschen, Zellenfenstern, Seestücken sowie ihre Caspar-David- Friedrich-Adaptionen vom Kreidefelsen auf Rügen an die linke Galeriewand gehängt. Und überm Eck, auf dem Monitor, sind diese Bilder in Bewegung; 20 Minuten lang. Mit Männer-, Frauen- und Kinderstimmen besprochen, betont mit Musik.

Gemeinsam mit Katarina Peters bewerkstelligte Hahner die filmische Mise en scène der Hängung an der Wand, die den Betrachter aus dem weißen Galerieraum hinaus- und in die imaginäre Welt von „Mascha und Gelb“ hineintreibt. Bilder sind hinter Bilder gestaffelt, die Kamera fährt sie ab, fährt, man ahnt nicht wie, in sie hinein, öffnet den Raum in die Tiefe und schaukelt schließlich auf den Wellen der Seestücke mit. Und zeigt doch nur ein weißes Quadrat. Margarete Hahner vervielfacht ein Motiv, und derart kommentieren die Bilder die Bilder, ihr Format, ihre Malweise, ihr Personal, den abstrakten wie den realistischen Code. Und ist das eine Motiv sorgfältig gemalt, dann schlampt vielleicht die Variante. Und am Ende erinnert „Mascha und Gelb“ im Umkehrverfahren an die kurze Filmschleife, mit der Peter Doig bei neugerriemschneider „Freitag den 13.“ zum Malerbild erklärte.

Bis 16.3., Di.-Fr. 14-19, Sa 11-14 Uhr, Dresdener Straße 125, Kreuzberg

Die Indizien am „Tat-Ort“ Kunstamt Kreuzberg im Bethanien sind zunächst schwer zu ordnen. Manche Spur ist so minimal, daß man das braune Materialstückchen an der Wand fast übersieht, das Markus Strieder als „Burnt Sienna, Aquarell“ annonciert. Dagegen ist wenig einzuwenden. Und noch viel weniger gegen sein „Selbstporträt“. Geradezu der Kommentar zum Realismus der Gegenwart, der anderen Ortes in Berlin auftrumpft: Van Gogh als Faschingsmaskenscherz. Da überwiegt der böse Spaß die Einfallskraft. Das ist natürlich ganz unerhört.

Friederike Feldmanns dick auf die Wand gekringelte Ölfarben ergeben dort einen „Perser“, typisch in Ornamentik und Farbigkeit. Anderswo hat sie einen kuhfellartigen Schwarzweißfleck auf die Wand gesetzt und gleich daneben einen braunen Fladen. Der Fleck als Bürgerschreck. Aber anders als die ersten roh hingeworfenen Kleckse der gegenstandslosen Kunst, präparierte sie ihn sorgfältigst an die Wand. Ebenso wie Thomas Hauser seine pastose, mehr als spachteldicke Ölfarbe in strengen Linien auf die Holzplatte appliziert. Die Geometrie des Bettwäschemusters in Bleu, Rosa und Weiß wechselt er mit Fotoübermalungen von rasanten Bikinimädchen ab: Das Richtersche Bildmuster dick aufgetragen und bewußt unelegant hingedreht.

Ungewohnt und merkwürdig sind Detlef Lemmes tischtuchgroßen Plotterzeichnungen wie „Upper Barracca Gardens“. Der Rechner filterte ein sichtlich technisch geführtes Liniengewirr aus den Fotovorlagen heraus. Information in groben Umrißlinien gewissermaßen. Da fühlt man sich bei Gosbert Adlers schwarzweißen Wäscheschrankfotografien geradezu heimelig. Obwohl das nun gerade nicht seine Absicht ist, deuten jedenfalls seine kargen Wohnungsinterieurs an.

Wahrhaft reduziert sind auch die verkehrsschildblauen Bilder, auf die Antje Dorn weiße Kochmützen-, Badeschlappen-, oder Zapfsäulen-Piktogramme krakelte. Die merkwürdigen Gegenstände wollen alle in „Öl, Öl, Öl“ festgehalten sein. Vielleicht finden sich alle Indizien zu „Kryptischen Konzepten“ zusammen, wie sich das Künstlerpaar Carl Peter und Michaela Lechner nennt. Ihre Bilder schweben über den Wassern, während Sätze wie „bin ich schon tot?“ über sie hinwegziehen. Der Rest ist in ihrem Fall Schriftstudium.

Bis 17.3., Mi.-So., 14-19 Uhr, Mariannenplatz 2, Kreuzberg

Ganz so windschief wie manche der Würfel-Piktogramme von Antje Dorn sind die „Dreizehn Bauten“ von Michel Sauer in der Galerie Klaus Fischer nicht. Aber da Sauers kleine Blechgebilde nachgerade wie in der Axonometrie gesehen und quadratische Flächen zu Rauten gedehnt sind, ergibt sich letztlich doch eine – wenngleich sehr exakt ausgeführte – Schieflage.

Michel Sauers stereometrische Gebäudesprache vermittelt spielerisch zwischen Form und Funktion. Da stimmen die Titel, die der Düsseldorfer Bilderhauer seinen Gebilden gibt. Ein schlichter Wellblechkörper aus verzinktem Eisenblech scheint dank seines Oberflächenmaterials tatsächlich eine „Baracke“ zu sein.

Und „Vespasiano“ benennt einen Kupferzylinder als Pissoir. Während ein anderer Baukörper mit zwei Fenstereinschnitten und einer durch einen Balkon versperrten Tür an de Chiricos metaphysische Stadtarchitekturen denken läßt. Das industriell hergestellte Blech glänzt verhalten, und seine fein abgestufte Farbigkeit scheint wie geätzt. Nur einem „Gestell“ gibt der orangerote Einbrennlack Signalcharakter. Mit dieser Form wird Sauer ab dem 26. März eine Wandinstallation im Sprengel Museum, Hannover, bestreiten.

Bis 23.3., Di-Fr 14-19, Sa 11-14 Uhr, Motzstraße 9, Schöneberg Brigitte Werneburg