Schwarzwald wird zum Multikultiwald

■ Trip für abgehalfterte Seelen: Vom Höllental ins Himmelreich zum Hexenloch

Abgehalfterten Seelen möchte ich nachdrücklich eine Reise in den Schwarzwald empfehlen. Nirgendwo sonst kommt mann wie frau so schnell vom „Höllental“ ins „Himmelreich“, und zwar auf der B31 von Donaueschingen gen Freiburg. Ökologisch wesentlich korrekter, weniger klangvoll, aber weitaus malerischer ist die Zugfahrt von Offenburg über Hausach, Hornberg, Triberg, Sankt Georgen nach Villlingen. Es möcht' einem das Herz schmelzen, wenn man nicht gerade aus der Norddeutschen Tiefebene stammt und Hügel im allgemeinen und Berge im besonderen furchtbar findet.

Allerdings hat der Schwarzwald seine Tücken. So repräsentiert er keineswegs Natur, sondern eine 100prozentige Kulturlandschaft, der dichtgepflanzte Fichten den dunklen Teint verleihen. Fichten, nicht etwa dunkle Tannen – und alle von Menschenhand gepflanzt. Nutzwald, auf forstdeutsch. Wie überall im Leben zeitigen Monokulturen auch im Schwarzwald unerwünschte Folgen. So wird der Schwarzwald, der bei Sonnenschein im Sommer herrlich grün schimmern kann und im Schneewinter märchenhaft daherkommt, im Herbst von Wandersleuten und Augentouristen aufgrund seiner Düsternis gemieden wie die Pest. Alle Welt vergnügt sich im unweit gelegenen Donautal an der bunten Herbstverfärbung des Laubwalds an weißen Klassefelsen.

Das hat nun bald ein Ende, denn Schwarzwalds letzte Monostunde hat geschlagen. Mischbepflanzung wird künftig das Gefichte lichten, in dem schon Heidegger sich verlief. Als intimer Kenner der Pflanzungsstrategie verrate ich nicht zuviel, wenn ich Esche sage. Und Tanne. Das macht mit den Fichten drei Sorten und aus dem Schwarzwald einen Multikultiwald.

Daß Strukturwandel nicht ohne Friktionen abgeht, wußte schon Karl Marx, und in diesem Fall trifft es die Rehlein. Die denken gottgegeben nicht an den in Zukunft wesentlich naturnäheren Schwarzwald, sondern nur ans eigene Fortkommen und machen sich deshalb eifrig an unschuldigen Jungbäumchen zu schaffen. Das geht nicht! Deshalb schützt Wildverbißschutzmittel klebrig-giftigweiß die zarten Triebe und macht aus dem Schwarzwald streckenweise Weißwald. Natürlich wird das Rehlein dabei nicht vergiftet – allein die Triebe werden ungenießbar.

Um solcherlei Feinheiten zu erfahren, nutzt die Bahnfahrt allerdings ebensowenig wie die Fahrt im Freiheitsspender. Das muß man sich schon erwandern. Zum Beispiel auf einer Tour durch die Ravennaschlucht oder eben ins Hexenloch. Wolfgang Hanfstein