Das Portrait
: Schöne Atmosphäre

■ Helmut Schön

Tot: Helmut Schön Foto: Keystone

WM-Titel 1974 hin oder her; Helmut Schön hat damals einen Fehler säkularen Ausmaßes gemacht – er ließ Overath spielen. Und nicht Günter Netzer. Oder war es gar nicht der Bundestrainer, sondern sein Kapitän Beckenbauer, der das Genie aus Madrid auf die Tribüne schickte? Tatsache ist: An allen Erfolgen, die der Bundestrainer Schön in seiner Amtszeit (1964–1978) sammelte, hatte der Münchner Anteil. Und auch am betrüblichen Ende, dem 2:3 gegen Österreich 1978 – zu jener Zeit nämlich hatte Steuerflüchtling Beckenbauer den Schön schmählich zurückgelassen – mit dem Kapitän Vogts.

In der Nacht zum Freitag ist Helmut Schön nun 80jährig nach langer, schwerer Krankheit in einem Wiesbadener Pflegeheim gestorben. Anders als sein Vorgänger Herberger, der als eine Art Übervater tot oder lebendig noch gerne und lange in der Öffentlichkeit herumgeisterte, war Schön nach dem Ende seiner DFB-Anstellung rasch aus dem kollektiven Bewußtsein verschwunden. Absichtlich: Er neigte nicht zum Selbstdarstellen. Später kam die Krankheit Alzheimer dazu, die ihn vollends isolierte.

Schön, 1915 als Sohn eines Dresdner Kunsthändlers geboren, galt in den Dreißigern als bester Halbstürmer des Reiches (16 Länderspiele/ 17 Tore). Sein Spiel, erzählen Zeitgenossen, habe er als Kunst und auf hohem ästhetischen Niveau zelebriert. Dasselbe gelang ihm auch als Trainer, wenn auch nur einen kurzen Sommer lang: 1972 erkämpfte sein DFB-Team (mit Netzer) einmal nicht den EM-Titel, es erspielte ihn.

Wie Schön all seine Erfolge (WM 1974, EM 1972, Vize-WM 1966, WM-Dritter 1970, Vize-EM 1976) aneinanderreihte, darüber ist gerätselt worden. Mit taktischen Systemen brachte man ihn nie in Verbindung. „Helmut Schön“, sagte Franz Beckenbauer gestern, „verstand es, eine Atmosphäre zu schaffen.“ Im Gegensatz zum Blockwart Herberger („Gehen Sie und lassen Sie sich die Haare schneiden!“) gab sich Schön den Zeiten gemäß sozialliberal. Sein Prinzip: Er ließ geschehen.

Überhaupt: Das Sanfte, das Musische war seine Welt. Den Webergesellen Gerd Müller brachte er soweit, daß dessen erste Sorge bei der Nationalelf nie der Frage „Seeler oder ich?“ galt. Müller fragte: „Herr Schön, gehen wir heute wieder ins Theater?“ Helmut Schön, sagte Müller gestern „war ein wunderbarer Mensch“. Wenn's stimmt: Gibt es nichts weiter zu sagen. Und das mit Netzer? Vergessen. pu