Diktatorendämmerung in Manila

■ Den Philippinen drohen zehn Jahre nach Marcos' Sturz wieder autoritäre Verhältnisse. Die Popularität von Präsident Ramos ist auf dem Tiefpunkt angelangt

Berlin (taz) – Zehn Jahre nach dem Sturz des philippinischen Diktators Ferndinand Marcos ist sein Geist in dem südostasiatischen Land allgegenwärtig. Die einen warnen vor einer Rückkehr zu diktatorischen Verhältnissen. Die anderen – vor allem ehemalige Marcos-Mitarbeiter – verköpern die Tendenz und geben vor, nur beste Absichten zu haben. Ursache der Diktatorendämmerung ist der Entwurf für ein umstrittenes Anti- Terrorismus-Gesetz. Einer der Autoren ist Senator Juan Ponce Enrile, ein früherer Verteidigungsminister. Er hatte 1972 einen Anschlag auf sein Auto fingieren lassen, um Marcos den Vorwand für das Kriegsrecht zu liefern, dem Tausende zum Opfer fielen.

Heute sieht Enrile das Land von Terrorismus und Kriminalität bedroht. Sein Gesetz soll den Behörden ermöglichen, Telefone abzuhören, das Bankgeheimnis aufzuheben und Verhaftungen ohne Haftbefehl vorzunehmen. Unterstützt wird Enrile von Präsident Fidel Ramos. Der war einst als Marcos' Chef der Bundespolizei die Nummer zwei hinter Enrile bei der Durchsetzung des Kriegsrechts.

Der Gesetzentwurf hat starke Proteste ausgelöst. Von Bürgerrechtlern und Basisorganisationen über die Amtskirche bis hin zu Geschäftsleuten und Politikern reichen die Gegner. Sie befürchten eine Einschränkung der grundlegenden Freiheitsrechte, die nach Marcos' Sturz am 25. Februar 1986 wiederhergestellt worden waren.

Bezweifelt wird nicht nur eine terroristische Bedrohung. Die Gegner des Gesetzes verweisen auch darauf, daß es vor allem Angehörige der Sicherheitskräfte sind, die zur hohen Verbrechensrate beitragen. Nach Zählungen privater Organisationen hat es 1995 allein 190 Entführungen mit Lösegelderpressungen gegeben. Während die Kritiker das Gesetz für wirkungslos gegen Kriminelle in Uniform halten, fürchten sie, daß es gegen Oppositionelle angewendet wird.

Präsident Ramos hat in den letzten Jahren öffentlich immer seine demokratische Läuterung betont und darauf verwiesen, bei Marcos' Sturz nicht nur eine entscheidende Rolle gespielt, sondern auch dessen Nachfolgerin Corazon Aquino gegen zahlreiche Putschversuche verteidigt zu haben. Aquino war im Februar 1986 von Marcos um ihren Wahlsieg betrogen worden. Als sich breiter Protest formierte, putschten Enrile und Ramos gegen Marcos. Manilas Erzbischof Jaime Kardinal Sin dirgierte Hunderttausende zum friedlichen Schutz der Putschisten vor deren Kasernen, während die US-Regierung Marcos zur Aufgabe überredete. Im Alltag jedoch blockierten Enrile und Ramos Aquinos liberale Ansätze und ermöglichten dem Militär, den Machtwechsel sogar noch aufgewertet zu überstehen. Als Präsidentin Aquino nach sechs Jahren aus dem Amt schied, hatte sie die Hoffnungen auf einen grundlegenden Wandel enttäuscht. Statt eine Versöhnung mit den verschiedenen Rebellengruppen zu erreichen, nahmen Fälle von Folter, staatlichem Mord und Massakern wieder zu. Die Agrarreform wurde verwässert, bis sie wirkungslos blieb.

Aquinos größter Erfolg bestand darin, für formal demokratische Verhältnisse zu sorgen. Der damalige Senatspräsident Jovito Salonga bezeichnete das System als „Elitedemokratie“. Sie ermöglichte den alteingesessenen Clans, durch Wahlen legitimiert an die Macht zurückzukehren.

Der frühere General Ramos ist seit 1992 Präsident. Wie kein anderer nach Marcos' Sturz verköpert er die personellen Kontinuitäten philippinischer Politik. Als Präsident erwies sich Ramos zunächst fähiger als erwartet. Seit zwei Jahren stehen die Wirtschaftsindikatoren auf Aufschwung. Mit gewissem Erfolg wurden alteingesessene Wirtschaftsmonopole aufgelöst. „Es gibt wirtschaftliches Wachstum in diesem Land, aber es findet in den oberen Gesellschaftssichten statt“, sagt der Soziologieprofessor Randolf David. „Die ländlichen Gebiete bleiben zurück. Es sickert nichts von oben durch.“

Die Popularität des vor allem im Ausland beliebten Ramos ist zu Hause nach jüngsten Meinungsumfragen auf einen Tiefpunkt gesunken. Im Januar hat die Regierung eine umstrittene zehnprozentige Mehrwertsteuer eingeführt. Anfang Februar wurden die Benzinpreise erhöht. KritikerInnen befürchten jetzt, das Anti-Terror- Gesetz könne der Regierung ermöglichen, mit autoritären Mitteln weitere unbeliebte Wirtschaftsmaßnahmen durchzusetzen, um die Philippinen, wie einige der Nachbarländer, auf einen autoritär gelenkten Wachstumspfad zu bringen. Genau dies hatte schon Marcos versucht. Sven Hansen