Anklage gegen Ex-Chefermittler Di Pietro klar zurückgewiesen

■ Die Kampagne gegen den einst populärsten Korruptionsermittler Italiens läuft vorerst ins Leere

Mailand (taz) – So ganz hatte er dem von ihm selbst immer so gerühmten System der Gerechtigkeit im Gerichtssaal wohl selbst nicht getraut: Antonio Di Pietro, vordem Chefermittler in Sachen Korruption, war nach seiner Einvernahme beim Vorermittlungsrichter – der in Italien über die Annahme einer Anklage entscheidet – davongestürmt, ohne das Urteil abzuwarten. Möglicherweise hatte er sein eigenes Nervenkostüm als zu dünn befunden: Aus der vorschriftsgemäß nichtöffentlichen Sitzung waren höchst erregte Töne bis auf den Korridor hinaus zu hören gewesen.

Am Abend dann die Erlösung: Wegen erwiesener Unschuld lehnte der Vorermittlungsrichter Roberto Spano die Zulassung der Staatsanwälte Salamone und Bonfili aus Brescia ab. Die beiden hielten Di Pietro für hinreichend überführt, bei der Ausstattung der Mailänder Justizbehörden mit Computern pflichtwidrig eine Firma gefördert zu haben, bei der ehemalige Mitarbeiter seines Amtes Teilhaber waren. Viele Beobachter hatten die Anklage von vornherein für absurd gehalten: Die Einrichtung der Informatik im Justizpalast von Mailand gilt bis heute als einsame Spitze in Italien, zudem war die gesamte Anlage kostenlos überlassen, das Programm von Di Pietro selbst erarbeitet worden. Die Staatsanwälte hatten daher ein Konstrukt um mehrere Ecken aufgebaut: Die betreffende Firma habe durch die Einrichtung ein unzulässig großes Renommee erhalten, und das hätte Di Pietro wissen müssen, also habe er sein Amt mißbraucht.

Die Staatsanwälte, wohl schon vorher der Wackeligkeit ihrer Beweise überzeugt, haben jedoch bereits nachgelegt: Am kommenden Montag muß sich Di Pietro wegen eines – längst zurückgezahlten – Kredites von umgerechnet 100.000 Mark verantworten, den ihm ein Freund Anfang der 90er Jahre verschafft hatte. Nach eigener Aussage hatte der Ex-Ermittler erst 1994 erfahren, daß er in Wirklichkeit von einem Versicherungsunternehmer stammte, gegen den er selbst ermittelt hatte.

Dennoch wird der Freispruch im ersten Anklageversuch in Italien als eine Vorentscheidung gewertet: Die geradezu manische Suche nach „dunklen Punkten“ im Leben von Italiens populärsten Juristen scheint doch in ihre Schranken gewiesen zu werden. Konsequenterweise suchen die politischen Kräfte, die vorher fast alle auf Abstand zu ihm gegangen waren, Di Pietro nun zu einem Einstieg in den beginnenden Wahlkampf zu bewegen, was er bisher unter Hinweis auf die laufenden Verfahren abgelehnt hatte.

Obwohl Di Pietro eher als konservativ gilt, scheint im Falle einer Kandidatur eher die Mitte-links- Allianz „Olivenbaum“ eine Chance zu haben – waren es doch nach Ansicht Di Pietros führende Vertreter der Rechten gewesen, die mit allerlei Dossiers und möglicherweise gekauften Zeugen das Komplott gegen Di Pietro angezettelt und für die Ermittlungen gegen ihn gesorgt hatten. Werner Raith