Angst vor dem Arbeitsamt

■ Die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes heizt den Konkurrenzkampf an – und setzt auf Abschreckung

Berlin (taz) – Milliarden von Mark will die Regierungskoalition durch die Reform des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sparen. „Wenn wir die durchschnittliche Arbeitslosigkeitsdauer von derzeit sieben Monaten auf sechs Monate reduzieren, sparen wir im Jahr sieben Milliarden Mark“, rechnete Arbeitsminister Blüm vor. Er verweist auf die neuen Eingliederungschancen für Langzeitarbeitslose, letztendlich dürften aber vor allem die realen Leistungskürzungen und ein massiver Abschreckungseffekt die Kassen der Bundesanstalt für Arbeit entlasten.

Für Unternehmen wird es künftig äußerst kostengünstig sein, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen. Als neue Maßnahme sind erstmals sogenannte „Eingliederungsverträge“ vorgesehen. Diese Eingliederungsverträge können Unternehmen mit den Arbeitsämtern schließen, erläuterte ein Ministeriumssprecher. Beschäftigt die Firma einen Langzeitarbeitslosen, so wird ihr durch den Eingliederungsvertrag für sechs Monate garantiert, daß das Arbeitsamt für den eingestellten Erwerbslosen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall übernimmt. Außerdem kassiert das Unternehmen kräftige Lohnzuschüsse, auch wenn der Neueingestellte nur einen befristeten Arbeitsvertrag bekommt. Die Befristung muß allerdings mindestens doppelt so lang sein wie die Förderungsdauer.

„Die Eingliederungsverträge sind problematisch“, erklärt Sozialexperte Wilhelm Adamy vom DGB. „Da könnten Mißbräuche gefördert werden.“

SPD und DGB gegen Zumutbarkeitskriterien

Der DGB und die Bonner SPD- Fraktion bemängeln vor allem die verschärften Zumutbarkeitskriterien in der geplanten AFG-Reform. Danach kann Arbeitslosen die Unterstützung gesperrt werden, wenn sie sich weigern, nach sechs Monaten einen Job anzunehmen, der um 30 Prozent schlechter bezahlt ist als der frühere. „Das dürfte einen Verdrängungswettbewerb der gut Ausgebildeten mit den weniger Qualifizierten zur Folge haben“, befürchtet Adamy.

Nach den letzten Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit von 1994 kam im Westen auf neun Arbeitsuchende mit Berufsausbildung eine offene Stelle für Qualifizierte. Bei den Jobsuchenden ohne Qualifikation lag das Verhältnis dagegen zwölf zu eins. Es gibt also keineswegs ausreichend Hilfsjobs, in die Akademiker nur einsteigen müßten. Adamy vermutet auch „eine Komponente der Abschreckung“ in den Blümschen Plänen.

Wer beispielsweise seinen Job selbst aufgeben will, weil die Arbeit unerträglich geworden ist, wird sich künftig davor hüten. Bei Arbeitslosen ist die Toleranzschwelle gegenüber verhaßten Jobs ohnehin niedrig. Im Jahre 1995 wurden bei der Arbeitslosenunterstützung nur 15.000 Sperrzeiten verhängt, weil die Erwerbslosen einen „zumutbaren“ Job ablehnten – eine verschwindend geringe Zahl angesichts eines jährlichen Zugangs von schätzungsweise mehr als vier Millionen Leistungsempfängern. 230.000mal wurden Sperrzeiten verhängt, weil Erwerbslose ihren Job „ohne wichtigen Grund“ kündigten.

Die AFG-Reform ist zustimmungspflichtig im SPD-dominierten Bundesrat. Blüm lockt die protestierenden Sozialdemokraten mit den erhofften Einsparungen: Damit soll der Beitragssatz für die Arbeitslosenversicherung von derzeit 6,5 auf 5,5 Prozent gesenkt werden. Auch die SPD ist schließlich für eine Senkung der Lohnnebenkosten. Barbara Dribbusch

Siehe Kommentar Seite 10